Alternatives Ende für ‚Der einzige weiße Tourist‘

Der kleine Daniel aus La Barra, Kolumbien

20131205-111629.jpg
Hinweis: Du bist dabei das alternative Ende zu meinem Ausflug an die kolumbianische Pazifikküste zu lesen. Wenn Du, wie ich, lieber Happy Ends magst, empfehle ich nur die letzte Geschichte zu lesen, und diese hier einfach auszulassen. Geh lieber auf den Weihnachtsmarkt und trinke mit deinen Freunden ein paar Glühwein. Oder kauf halt Weihnachtsgeschenke. 

immer noch da? Na gut:

Tag 3, Morgens
Inzwischen esse ich auch Frühstück bei Doña Ola. Mein neuer bester Freund, der siebenjährige Daniel sitzt neben mir. Wir spielen „Vier gewinnt“ und „XXO“. Warum er nicht in der Schule ist, verstehe ich zwar nicht ganz, aber naja. Bei diesem Thema wird er immer etwas einsilbig und nuschelig. Er hat auf jeden Fall Talent die Spielfelder in mein Notizbuch zu zeichnen. Ab und zu fordert er mich auf ihn gewinnen zu lassen und so ist der Spielstand recht ausgewogen.
Mein persönlicher Tourguide Yeisson kommt vorbei. Er fragt mich, was ich heute machen will. Eine berechtigte Frage. Denn heute ist mein letzter voller Tag hier. Da mein Budget aufgebraucht ist, und es hier keine Geldautomaten gibt, muss ich morgen zurück nach Cali. Ich schaue auf den Zettel von Carolina. Ballenas (zu deutsch: Wale) kann man hier sehen. Das Wasser ist an dieser Stelle des Pazifiks durch eine warme Meeresströmung so warm, dass riesige Blauwale zum Austragen ihrer Jungen hierher kommen. Leider endet die Saison Ende Oktober, so dass ich genau wie der liebe Kommentar-Frieder in seinem Island-Urlaub wieder keine Wale sehen werde.

 

Hmmm … Tortugas (zu deutsch: Schildkröten) kann man hier beobachten. Ich frage Yeisson, ob wir einen Ausflug zu den Schildkröten machen können. Er überlegt kurz, verschwindet und kommt eine Minute später zurück. Mit einer kleinen lebenden Schildkröte in der Hand. Ob ich die essen mag, fragt er mich. Doña Ola könnte sie mit leckerer Soße zubereiten. Ich lehne dankend ab.

20131205-111645.jpg

Hmm … Indigenas (zu deutsch: indigene Völker/ Urvölker) Das wäre doch vielleicht etwas. Für die große Tagestour reicht mein Budget nicht mehr, aber im Nachbardorf Ladrilleros soll es auch eine kleine Siedlung geben. Abgemacht. Yeisson, der laut meiner Vermieterin Yolanda auch ein guter Junge ist, wird uns führen. Und Daniel wird auch mitkommen. Der kleine freut sich.

20131205-111702.jpg
15 Minuten später,
Auf der dunklen Haut meiner Begleiter sieht meine Sonnecreme mit Lichtschutzfaktor 50 schon witzig aus. Aber Yolanda hat uns extra gesagt, dass wir uns eincremen sollen. Sie hat mir auch noch eine Sonnenmütze mitgegeben. Daniel ist vergnügt. Unsere Gruppe hat sich um eine weitere Person erweitert. Ein ca 10 Jahre alter Cousin von Daniel ist auch mit dabei. Wir schlendern am Strand an traumhaften Ferienhäusern vorbei. Zu Weihnachten und im Januar gibt es hier viele Touristen. Nur jetzt halt nicht.
Plötzlich gibt es Streit zwischen Daniel und seinem Cousin. Daniel fängt zu weinen an. Yeisson erklärt mir die Situation: Der Vater von Daniel hat ihm nicht erlaubt das Dorf zu verlassen. Doch Daniel versteht diesen plötzlichen Wandel der Situation nicht. Ich ehrlich gesagt auch nicht, aber wenn der Vater das so gesagt hat, muss Daniel wohl gehorchen. Ich versuche ihm ruhig und vernünftig zu erklären, dass er doch nicht mitkommen kann. Er weint weiter. (An dieser Stelle muss ich mal meinen vollsten Respekt an alle Eltern im Freundeskreis aussprechen, stellvertretend: Yasmin&Paul, Birthe&Jörn und Laura&Johannes) Ich versuche Daniel mit Kokada zu bestechen. Er weint weiter. Wir gehen ein Stück weiter. Er kommt uns hinterher und weint weiter. Da die anderen beiden Kindern keine pädagogische Hilfe sind, spreche ich mit ihm jetzt im lauten bestimmten Ton. Er weint auch ein bisschen lauter. Wir gehen wieder weiter. Er kommt uns weinend hinterher. Wir rennen über den Strand. Er bleibt lauthals weinend zurück…

20131205-111720.jpg
Der Rest des Tages ist schnell erzählt: wir wandern nach Ladrilleros. Dort sehe ich die zwei Indigena-Häuser, die es gibt. Das Ganze ist eher eine Art Marketing-Außenposten für die Ganztagestour zu den Indigenas, für die es aber jetzt auch schon zu spät ist. Dann treffe ich weitere weiße Touristen: Drei blonde deutsche Studentinnen (schon verrückt, dass wirklich alle deutschen Touristinnen, die ich in Kolumbien getroffen habe, blond waren. Als ob sie in geheimer Mission unterwegs wären, das deutsche Klischeebild nach Kolumbien zu tragen). Ich verabrede mich mit ihnen für später zum Abendessen bei Doña Ola. Dann spiele ich mit Yeisson etwas FIFA in einem Spielegeschäft. (Oh Mann, bin ich schlecht bei Konsolenspielen) Ich gehe zum Strand von Ladrilleros, der mich nicht beeindruckt (Für mich ist völlig unverständlich warum sich Touristen hier niederlassen, wenn La Barra nur eine Stunde Fußmarsch entfernt ist.) Ich verliere die Sonnen-Mütze von Yolanda und verbringe knappe zwei Stunden an allen Orten in Larilleros nach ihr zu suchen. Erfolglos. Dann ziehe ich mit den Jungs zurück nach La Barra. Immerhin ist meine Handwäsche jetzt trocken und Yolanda ist wegen der Mütze zum Glück nicht sauer. Die drei Deutschen kommen vorbei und sind wie erwartet von der Soße begeistert. Dann fängt es wie jede Nacht zu Regnen an (Das ist wohl ein klimatisches Phänomen, dass mit Ebbe und Flut zusammenhängt, und dafür sorgt dass es zu dieser Jahreszeit nur nachts regnet) Die armen Mädchen müssen eine Stunde im Regen zurück laufen. Ich gehe schlafen und mache meine Ohropax rein, um von dem lauten Regen nicht gestört zu werden.

20131205-111940.jpg
Letzter Tag, Morgens bei Doña Ola
Ich war noch einmal im Pazifik schwimmen. Allein. Eigentlich hatte ich gedacht, dass Daniel vielleicht da ist. Aber da war nur dieser streunende Hund, den ich, nach dem er mich so lange mitleidig angeschaut hatte, mit ein paar Kekskrümeln gefüttert habe. Für Daniel hab ich von meinem letzten Geld extra eine neue große Packung Kekse gekauft. Da wird er sich freuen. Ich esse heute Fisch mit Kokossoße zum Frühstück. Komisch … So viele Kinder spielen auf dem Hauptweg, aber nirgendwo ist Daniel. Yeisson ist da. Er weiß auch nicht wo der Kleine ist. Ich nutze letztmalig seinen Service als Tourguide. Wir laufen durch das Dorf auf der Suche nach Daniel. Doch in seinem Haus ist niemand. Yeisson gibt mir eine exotische Frucht, die ein bisschen wie eine überdimensionierte Schote aussieht und die süß schmeckt, wenn man sie kaut. Wir suchen weiter. Eine Frau meint, dass er zuletzt in dem Lädchen an der Ecke war. Doch da treffen wir nur seinen Cousin. Vor fünf Minuten hat er ihn zuletzt gesehen. Jetzt wird er wohl irgendwo am Strand spielen sein. Doch auch da finden wir ihn nicht. Ich schaue auf die Uhr und realisiere, dass ich jetzt wirklich los muss, um meine Fähre in Juanchaco nicht zu verpassen. Eine Stunde muss ich für den Weg nach Ladrilleros rechnen. Ich werde mich wohl nicht mehr von meinem lieben Freund Daniel verabschieden können…
Ich bedanke mich bei Yolanda für die Gastfreundschaft und bei Doña Ola für die leckersten Mahlzeiten meines Kolumbien-Urlaubs. Den Biche werde ich Carolina als Gastgeschenk mitnehmen. Und die Kekse? Die bekommt Yeisson, damit er sie mit lieben Grüßen an Daniel weitergeben kann.

20131205-111758.jpg
Ich bin allein, als ich durch den vom Regen der letzten Nacht aufgeweichten, schlammigen Weg von La Barra nach Ladrilleros laufe. Der einzige weiße Tourist.

THE REAL END? (really?)

Über Enden: Ja, dieses Ende ist irgendwie traurig. Aber ist es, nur weil es das letzte ist, was chronologisch passiert, wirklich das Ende? Auch nach dem „wirklichen Ende“ dieser Geschichte, gehen die Geschichten von Yeisson, Daniel und mir weiter. Und vielleicht geht ja sogar diese Geschichte weiter. Schließlich ist sie ja da. Draußen im Internet. Und jeder der will, kann sie lesen. Und vielleicht ändert die Tatsache, dass es diese Geschichte gibt, ja den Lauf der Geschichten von Yeisson, Daniel und mir. Vielleicht treffen wir uns in ein paar Jahren auf einen Kaffee am Brandenburger Tor, oder wir sehen gemeinsam einen riesigen Blauwal aus nächster Nähe.

„Am Ende wird alles gut. Wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende.“ Zitat von Oscar Wilde

20131205-112025.jpg

20131205-112043.jpg

20131205-114514.jpg

20131205-114532.jpg

Das Beste am Reisen sind all die unerwarteten Begegnungen. Seit meinem Sabbatical in Südamerika reise ich daher mit neuer Mission durchs Leben: "Catching Smiles around the Globe." Wenn Du kein Lächeln mehr verpassen willst, folgst du mir am Besten auf  Facebook oder auf Instagram. ¡Hasta luego amigo!

11 Kommentare Schreibe einen Kommentar

Schreibe einen Kommentar