Wie angekündigt hier nun ein Gastbeitrag über ein Land, das Gregorio Jones in seinem Abenteuerurlaub nicht selbst bereist hat. Es schreibt: die App-Managerin Nathali B., die nicht zu verwechseln ist mit der bereits bekannten Vollblut-Spanierin Nathali Maria Verdaguer ;)…
Als ich 2002 nach Halle ging um dort zu Studieren war ich besessen von den USA. Ich wollte unbedingt etwas studieren, was mich zurück dorthin bringen würde Sprache, Kultur, Geschichte egal, irgendwas würde schon klappen. Dass ich zu meinem Studienfach USA-Studien noch ein zweites (Land) oder Kontinent wählen musste, war daher mehr als zweitrangig. Aber irgendwie wollte ich auch schon immer mal Spanisch lernen. Also wählte ich als 2. Fach meiner Interkulturellen Europa & Amerika Studien (IKEAS) das kleine und kulturell überschaubare (Land) Lateinamerika. (Diese Geschichte habe ich später in Rio dann auch Gregor erzählt, der sich der Bedeutung meiner Reise bis dahin gar nicht so bewusst war)
Damals in Halle fing ich an mehr über Lateinamerika zu erfahren. Ziemlich schnell wurde klar, dass es ein ziemlich sportliches Unterfangen war die Kultur und die Geschichte Lateinamerikas in ca. 6 Semestern lernen zu wollen. Nicht nur, dass jedes einzelne Land in Lateinamerika eine eigene, auch insbesondere durch die Geschichte geprägte Kultur und Sprache hat, ja wieso war eigentlich gesetzt, dass man mit dem Nebenfach Lateinamerika Spanisch und nicht Portugiesisch lernte?
Egal. Der Ehrgeiz hatte mich gepackt. Ich ging 3 Wochen nach Cadíz und lernte dort weiter Spanisch. Ein Jahr später machte ich einen Erasmus Austausch in Barcelona. Dort spricht man natürlich wenig Spanisch, aber ich traf Jero. Meinen guten Freund aus Chile. Der mit mir damals „Castellano“ sprach, auch für ihn eine andere Sprache, da er immer wieder betonte, dass ich kein Wort verstehen würde, wenn er richtiges Chilenisch reden würde. In meinem Selbstüberschätzung forderte ich ihn auf das doch mal zu tun. Als er es tat und sich mit seiner besten Freundin aus Chile unterhielt war ich allerdings raus. Tan rápido. Und was für Wörter waren das. 10 Jahre später habe ich mich in den 1 1/2 Wochen Chile öfters in dieser Situation wiedergefunden.
Und da war ich also nun. Santiago ist eine Riesengroße-Ami-Metropole. Wenn ich jetzt mit zwei Monaten Abstand erzähle wie meine Reise verlaufen ist, erzähle ich meistens zuerst, dass ich überrascht war, wie amerikanisch Chile ist. Jeronimo sagt dazu, dass die Chilenen mehr als andere Länder Südamerikas schon immer versucht haben die USA zu imitieren und das merkt man an jeder Ecke. Obwohl, das neueste Aushängeschild der aufstrebenden Chilenen ist ein riesiger Wolkenkratzer inmitten Santiagos, gebaut von einem deutschen Architekten. In diesem Bürogebäude ist zudem ein riesen Einkaufsgebäude entstanden – ein Paradies für Europäer, die zusätzlich zu Topshop auch alles von Banana Republic & Co. erwerben können. Aber zum Shoppen war ich ja eigentlich gar nicht hergekommen.
Santiago war ein guter Einstieg für die Südamerikareise. Zum langsamen Eingewöhnen sozusagen. Die Stadt an sich hat sicherlich viel zu bieten, es gibt ein riesen Angebot an Abendveranstaltungen, Kultur etc. aber ich habe mich in diesen knapp 1 ½ Wochen eher mit Parks und Grünanlagen beschäftigt.
Highlight war aber der Wochenendausflug nach Valparaiso & die Übernachtung in einer Hacienda mitten in den Bergen. Als wir nach einer längeren Feier am Vorabend
[embedyt]http://www.youtube.com/watch?v=GqNTdNCU2y8[/embedyt]
und einem langen Touristentag in Valparaiso bei der „Ferienwohnung“ ankamen, musste ich erstmal schlucken. Mitten in dieser Natur-Idylle erwartete uns eine Hacienda wie man sie aus den schnulzigen mexikanischen Telenovelas her kennt. Umrandet von Bergen, ein Traum von Haus mit Swimmingpool, Whirlpool, 3 Terrassen, unzähligen kleinen Details.
Nach Swimmingpool und Siesta gab es das Nationalgetränk Pisco Sour auf der Dachterrasse, im Anschluss die peruanische Spezialität Ceviche (alles was es so an rohem Fisch geben kann mit viel Zitrone)
und zum Abschluss köstlichen chilenischen Rotwein und Zigaretten wieder auf der Dachterrasse mit dicken Wolldecken und einem traumhaften Sternenhimmel. Manche Momente sollten einfach nie aufhören aber als wir dann früh am nächsten Morgen wieder Richtung Santiago unterwegs waren musste ich an die simple Zeile aus Pablo Nerudas Gedicht denken, was ich in seinem ehemaligen Haus/ jetzigen Museum in Valparaiso gelesen hatte: Algo pasa y la vida continúa.
Und so ging das Leben weiter und Santiago hatte uns wieder. Aus der Ruhe & Zurückgezogenheit der Berge ging es in die brodelnde Metropole. An diesem jenen Sonntag stand die große Stichwahl für die neue Präsidentin Chiles an. Es gab nur noch 2 Kandidatinnen, die linke Michele Bachelet & die eher konservativere Evelyn Matthei. Michele war bereits ein mal Präsident Chiles und laut Jeronimo und seiner Freunde würde sie auch die Wahl gewinnen. Sozusagen das kleinere Übel.
Wir verbrachten den Tag unserer Rückkehr bei einer Feier von Freunden in einem kleinen gemütlichen Garten mit viel Corona, Assado, Guacamole & Pisco Cola. Für mich war es wieder mal erstaunlich, wie die Aussage „Soy de Berlin“ zu „Ohhhhh, Berlin“ „Ahhhh, me gusta tanto Berlin“ führte und ich in Anbetracht der in Chile herrschenden sommerlichen Temperaturen und nach diesem Traumwochenende in den Bergen diese Euphorie auch nicht so richtig teilen wollte. Doch wie später in Rio Elizabeth richtig sagte: „Ihr in Berlin vermisst die Hitze, ich hätte gerade gerne allerdings nicht die 40°C sondern die 3° Berlins“ Jaja, wir wollen immer das, was wir nicht haben.
Um 18.00 saßen wir dann alle vor dem Fernseher, gut angeheitert verfolgten wir die Ergebnisse der Wahlen. Vorher gab es lange Diskussionen über die Neuerung des Wahlverfahrens. Die Wahl war zum ersten Mal freiwillig. Früher war die Wahl Pflicht; selbst aus den abgelegenstend Dörfern mussten die Bewohner nach Santiago reisen, teilweise mehrere Stunden, bezahlt wurde das nicht. Briefwahl war und ist immer noch keine Option. Auch in Chile sind die Wahllokale zumeist in Schulen oder öffentlichen Gebäuden vorzufinden. Befremdlich für mich allerdings abgesichert durch das Militär mit schussbereiten Maschinengewehren.
Wie endete es also?
Michele gewann, Merkel gratulierte und freute sich auf die internationale Zusammenarbeit. Ich packte meinen Rucksack in der Vorfreude Gregorio Jones baldigst in Argentinien in die Arme schliessen zu können, verpasste dank chilenischer Gelassenheit beinah meinen Bus nach Mendoza und verbleibe mit teils gemischten Gefühlen im Rückblick auf meine Zeit in Chile. Das Land hat mich neugierig gemacht, es lohnt sich auf jeden Fall zurückzukommen. Der Norden mit der Atacama Wüste oder der Süden mit Patagonien sind für mich auf jeden Fall eine Rückkehr wert. Bei der nächsten Südamerikareise würde ich jedoch komplett auf die großen Städte verzichten. Buenos Aires hat man nun gesehen (Haken dran, Tango fand ich schon immer öde), Santiago nur noch mal um Jeronimo zu besuchen. Rio, nun gut Rio… Da würde ich dann doch noch mal eine Ausnahme machen…