Bogotá, Kolumbien,
Soll ich wirklich den Bus nehmen um zur kolumbianischen Karibikküste zu kommen? 16 Stunden soll es dauern. Armando, der lustige Professor der Sozialwissenschaften, bei dem ich in Bogotá wohne und der mich ein bisschen an Dirk Bach erinnert, ist skeptisch. „Tu pobre cuerpozito!“ „Dein armes Körperchen.“ Auf der anderen Seite spare ich eine Übernachtung. Und da ich zuletzt nette Leute in Bogotá kennengelernt habe, fällt mir der Abschied schwer und ich sehne mich nach etwas Zeit, bevor wieder etwas Neues beginnt. Ich entscheide mich für den letzten Nachtbus.
kurz darauf im Bus,
Ich bin in alle meine Pullover eingewickelt. Busse werden hier bis auf gefühlte Minusgrade heruntergekühlt. Hinter mir hustet und schnieft eine ältere Frau. Zum Glück ist der Platz neben mir frei, so dass ich tatsächlich ein paar Schlafphasen erhaschen kann. Nach 12 Stunden halten wir. Ich vermute eine arbeitsschutzrechtliche Pause der Fahrer und rücke meine Schlafmaske wieder in die optimale Position. Die Pause dauert an. Nach und nach verlassen immer mehr Passagiere den Bus. Als die Klimaanlage schließlich ausgeschaltet wird, und der Bus anfängt unerträglich heiß zu werden beschließe ich ebenfalls die Lage zu erkunden.
Wir befinden uns inmitten eines gigantischen Staus. So weit das Auge reicht, gibt es nur Busse und LKWs. Keine Bewegung. Alejandro, ein Musiker aus Bogotá, erklärt mir, dass die Minenarbeiter streiken und die Zufahrt an die Küste blockiert ist. Grund ist ein neues Gesetz, welches der Regierung erlaubt illegale Maschinen zu konfiszieren und zu zerstören. Die Definition von „illegal“ obliegt dabei der Polizei. Was ein bisschen nach einer Initiative zur Förderung des ökologischen Bergbaus klingt, hat laut Alejandro andere Hintergründe: Viele Minenarbeiter leben am Existenzminimum und graben mit improvisierter Technik nach Gold und Smaragden. Ohne Steuern zu zahlen. Ein Dorn im Auge des Staates und der ausländischen Investoren, welche die hiesigen Bergwerke besitzen.
Wie so oft bin ich in meiner Gruppe der einzige große blonde Europäer. Der „Gringo“ eben. Ein Begriff der eigentlich aus Mexiko stammt und sich ursprünglich auf amerikanische Soldaten bezog. „green go“ – Gehe Grüner. Hier wird er pauschal für alle Touristen verwendet: Dass ich Deutscher und nicht Amerikaner bin, hebt meine Sympathiewerte geringfügig. Liliana, eine lokale Kosmetikerin findet Gefallen an mir. Sie hat das typische Aussehen der Frauen von der Küste: etwas breitere Hüften, wegen der kohlehydratreichen Ernährung mit jeder Menge Bohnen und Reis. Wie Shakira eben. Und sie spricht den für mich völlig unverständlichen Dialekt der Küste. „Gringo, Gringo“ geht es in einer Tour. Mit ihren Scherzen über mich unterhält sie den ganzen Bus. Und so werde ich nicht ganz freiwillig zum Unterhaltungsprogramm für die lange Wartezeit im Stau.
So ganz wohl fühle ich mich nicht dabei, als wir kurze Zeit später einen Schleichweg durch den Dschungel nehmen. Zumal es nach 24 Stunden schon wieder dunkel wird. Doch die Stimmung ist dank Liliana und mir super. Wir machen Erinnerungsfotos im Dschungel. Und spätestens als ich in guter deutscher Tradition die Gruppe auf ein „Bier“ an der Raststätte einlade, habe ich auch die Sympathie der grummeligen Herren. Zumindest glaube ich das.
30 Stunden wird die Busfahrt insgesamt dauern. Ein bisschen nachdenklich lässt sie mich zurück. Ich bin mir sicher, dass keiner der Passagiere jemals Kolumbien verlassen hat. Ich frage mich, wie ich reagieren würde, wenn ich mein ganzes Leben immer in Deutschland gewesen wäre, und plötzlich ein paar putzig aussehende Fremde mit viel Kohle und mittelmäßigen Deutsch-Kenntnissen in meinem Land Urlaub machen. Würde ich mich freuen ihre Vokabeln für „Prost“ zu lernen?
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