Entdecke Deine Stärken jetzt!

Der Kolumbianer Miguel, die Deutsche Agnes und der Kolumbianer Oscar

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Bogotá, in einem sicheren Taxi vom Flughafen, Ende Oktober 2013,
Der Himmel leuchtet. In einer Stunde, pünktlich sechs Uhr, wird die Sonne untergehen. In Äquatornähe sind Tag und Nacht genau gleich lang. Und hier in Bogotá ist dieser Wechsel zwischen Tag und Nacht in jeglicher Hinsicht viel bedeutsamer als in Deutschland. Ich kurbele das Fenster des Taxis herunter, atme einen Schwall kühler werdender Luft ein und mache Fotos. „Welche Universität nochmal?“ fragt der Taxifahrer. „Universidad Nacional“ sage ich ganz stolz. Heute ist wieder Kung-Fu-Training. Wobei das nicht der Hauptgrund ist, warum ich mich gerade so freue. Ich werde dort Miguel wieder treffen, und Agnes und Oscar. Und wir werden noch mal dieses Foto machen. Miguel und ich in dieser Kranich-Pose. Agnes wird einfach so lange fotografieren müssen, bis der Fokus stimmt und wir beide gut aussehen.

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Flashback – Berlin, beim Sushi-Laden in der Markgrafenstraße, August 2012
„Ich nehme das Take-Menü,“ sage ich und zeige mit dem Finger zur Sicherheit noch mal auf das Foto in der Speisekarte. Susanna bestellt eine bunte Mischung und diesen neon-grünen Seetang-Salat, der mir ja etwas suspekt erscheint. Ich habe sie länger nicht gesehen. Sie war eine Zeit lang Assistentin der Geschäftsführung in unserer Firma. Eine Rolle, die sie äußerst amüsant mit einem Höchstmaß an Narrenfreiheit ausgefüllt hat. Dann war sie längere Zeit bei einer Vorabendshow und inzwischen (2013) ist sie Redakteurin beim Kinderfernsehen. Wir treffen uns, noch bevor sie die Redaktionsstelle anfängt. Wie immer hat sie viele Witze und Geschichten auf Lager. Unter anderem erzählt sie von einem Buch, das sie begeistert hat. „Entdecken Sie ihre Stärken jetzt!“ Sie hat das Buch auch dabei und könnte es mir leihen. Allerdings bringt mir das nicht so viel, da in dem Buch ein personalisierter Code für den Strength-Finder-Test im Internet enthalten ist. Und diesen muss man halt zum Finden der Stärken machen. Ich bin ja anfällig für diese amerikanische Ratgeber-Literatur…

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wieder Bogotá,
„El dragon de las alas negras! Respiracion! Uno, Dos, Tres, Quatro…“ Ich bin in der Anfängergruppe mit weiteren Kung-Fu-Neulingen. Unter ihnen eine ganz hübsche junge Studentin und ein Student, der tatsächlich nur in Socken trainiert. Unser Lehrer ist auch Neuling – Neuling im Lehren. So erklärt er nicht, was diese lustigen Tanzschritte bedeuten, sondern macht einfach bei jeder Wiederholung eine Figur mehr. „Uno, Dos, Tres, Quatro, Cinco“ Hinzu kommt, dass sich bei dieser Kombination die Schritte irgendwann wiederholen, er aber einfach weiter zählt, was mich völlig verwirrt. Dass ich nicht mitkomme, bekommt er „zum Glück“ nicht mit, da er der hübschen Studentin quasi Privatunterricht gibt. Ich schaue sehnsüchtig zu Miguel, Agnes und Oscar die nur wenige Meter von mir entfernt in weit fortgeschrittenen Gruppen trainieren.

Zum Abschluss kommen alle noch mal in einem Sitzkreis mit dem Meister zusammen. Die neuen müssen sich vorstellen. Wie sie heißen, woher sie kommen und warum sie Kung-Fu trainieren wollen. Zum Glück bleibt mir das heute erspart. Ich hatte beim letzten Mal in gebrochenem Spanisch geantwortet: „Ich heiße Gregório. Ich reise durch Kolumbien. Und ich will Kung Fu lernen, weil ich gehört habe, dass es gut für den Kopf ist.“ Geist wollte ich eigentlich sagen, aber die Vokabel fiel mir nicht ein. Jedenfalls hatte der Meister die Steilvorlage genutzt, um mich zu belehren, dass Kung Fu nicht immer gut für den Kopf ist, worauf ich zumindest die Lacher der Truppe auf meiner Seite hatte. Die hübsche Studentin begründet heute smarter. Weil Freunde ihr das empfohlen haben. Der Student mit den Socken hat keine Antwort. Woraufhin der Meister streng meint, dass wenn er noch mal kommen will, er doch bitte einen Grund und Schuhe mitbringen soll. Dann wandert sein Blick zu mir. Warum ich erst jetzt wiederkomme, fragt er mich. Weil ich auf Reisen war, sage ich. „Ich konnte nicht“ schon wieder lacht die Menge. Dann beginnt der Meister einen kleinen Vortrag, den ich nur halb verstehe (ich glaube, dass er auch den kolumbianischen Küstendialekt spricht). Er meint, dass man nur das machen soll, was man wirklich will. Wenn einem der Mathe-Lehrer nicht passt, soll man aufhören Mathematik zu lernen. Hmm. Ich bin mir sicher, dass ich ihn falsch verstanden habe. Aus Nachdenklichkeit vergesse ich, dass wir noch dieses Foto machen wollten.

Mannheim, Anfang November 2012
Jetzt wird es wirklich Winter. Irgendwie habe ich es versäumt einen Urlaub in die Sonne zu buchen und so sitze ich jetzt auf der Couch bei meinem lieben Ex-Freund Danny in Mannheim. Er ist ein wandelndes Ratgeber-Buch. Schon vor langer Zeit hat er Klassiker, wie „Simplify your life“‚gelesen. Gepaart mit seinem Wissen über Physiotherapie, Massagen und seinen Theorien über den menschlichen Körper entsteht daraus ein hochfrequentes Bombardement an guten Ratschlägen. Für mich die perfekte Umgebung, um endlich mal das Buch von Susanna zu lesen. Die Grundthese gefällt mir: Einer der Hauptfehler der bei der Personalentwicklung gemacht wird, sei die einseitige Fokussierung auf die Schwächen der Mitarbeiter. Sie werden so lange kaputtoptimiert bis sie gewöhnlich und langweilig geworden sind. Laut dem Buch, sollte man sich eher auf die Stärken der Mitarbeiter fokussieren und diese noch weiter entwicklen. Mit diesem Vorwort beginne ich den Test. Über 100 Fragen. Durch meine Antworten werde ich am Ende fünf Kern-Stärken ermitteln können. Ich bin neugierig. Alle Antworten sind eingegeben. Das Laderädchen dreht sich…. Was?! Bei meinen fünf Kern-Stärken landet „Verbundenheit“ auf Platz 1? Verbundenheit steht für eine hohe Affinität zu Natur und Spiritualität. Oft sind diese Menschen sehr sensibel und tendenziell religiös. Selbst Danny, der mich ja nun doch etwas kennt, kann mit dieser Stärke nichts anfangen.

Bogotá, inzwischen Anfang November 2013,
Ich bin mit Miguel auf dem Weg zur Universidad Nacional zu meinem letzten Kung-Fu-Training. Übermorgen werde ich die Stadt wieder verlassen und weiter in die Kaffeezone reisen. Wir sind spät dran. Es wird bereits dunkel. Die Schnellstraße vor der Uni wird von Studenten blockiert. In einer Stadt die unter dem Verkehr sowieso schon ächtzt, ist das kein Spaß. Die Polizei ist vor Ort. Ich bin noch dabei Fotos zu machen, als die Stimmung plötzlich kippt. Es hat etwas vom ersten Mai in Berlin. Die Massen setzten sich sich in Bewegung. Miguel und ich rennen. Innerhalb der Universität sind wir sicher. Da dürfen sie nicht rein.

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Die anderen trainieren bereits, während wir uns schnell auf dem Pausenhof umziehen. „Warum protestieren die Studenten?“ frage ich. Miguel erklärt mir kurz, dass die Universität privatisiert werden soll und viele der Studenten dann nicht mehr studieren könnten. Dann gehen wir trainieren.

„Un, dos, tres“ Diesesmal leitet der Meister selbst das Training. Es ist eine andere Kombination. Glaube ich zumindest. Ich bin unkonzentriert. „Un, dos, tres, cuatro,“ Ich bleibe stehen. „Un, dos, tres, cuatro, cinco,“ Ich gehe.

Berlin, Dezember 2013, in einem indischen Restaurant mit deutscher Küche
Lecker ist der Wildgulasch mit Rotkraut und Soße (Eines der Gerichte, welches mir – neben Sushi – in Südamerika am meisten fehlt). Der liebe Jan, den ich seit meinem Medienwirtschaftsstudium kenne, ist zu Besuch aus Hamburg. Wir tauschen den neuesten Klatsch über unsere Ex-Komilitonen. Was machen eigentlich Meike, Kate, Lena, Anja, Frieder, Rolf und Manu gerade so?
Als ich mit dem Studium angefangen hatte, wollte ich eigentlich immer Fernsehen machen. Jan war der Internetexperte, der immer die neuesten Trends kannte: Onlinevideos, Blogs und dieses Twitter. Ich hatte 2000 noch nicht mal eine E-Mail-Adresse. Jedenfalls sprechen wir über dieses Buch. Ich sage, dass ich diesen Stärken-Test gemacht habe und mit meinem fünf Kern-Stärken leider nicht so viel anfangen kann. Da lacht er. Er habe diesen Test auch gemacht. Zwei mal. Zwei mal mit fünf völlig unterschiedlichen Stärken.

wieder Bogotá
„…, cinco, seis, siete, ocho,.. Ich ziehe gerade meine Jeans hoch. Ungefähr 50 Meter vor mir trainiert die Kung-Fu-Mannschaft der Universidad Nacional von Bogotá auf dem Pausenhof der technischen Fakultät. Sie stehen so, dass ihr Blick in meine Richtung zeigt. Ich taste in meine Hosentasche und greife nach meinem Foto-Handy. Ich mache Fotos. Erst von hier aus, dann von diesen futuristisch wirkenden Außentreppen der technischen Fakultät. Schön sieht die Gruppe von oben aus. Wie elegant und gleichmäßig jeder Schritt und jeder Handschlag ist. Ich schaue, ich fotografiere und ich fühle mich stark.

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Als das Training vorbei ist, gehe ich zu meinen Freunden. Sie wirken erschöpft, aber glücklich. Ob alles in Ordnung ist, fragt Miguel besorgt, wegen meinem doch etwas dramatischen Abgang. Ich schmunzele. Das muss ich später erklären. Jetzt will ich ein Foto machen. Von meinen drei Freunden. Sie sind ein tolles Motiv. Ob sie auch noch ein Foto machen soll, fragt Agnes. Nein, sage ich immer noch schmunzelnd.
Ich bin heute der, der dieses Foto macht. Aber vor allem bin ich der, der diese Geschichte schreibt.

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P.S.: Wer sich jetzt stark genug fühlt diese Geschichte auf Facebook, Twitter oder sonst wo zu teilen, kann das gern tun.

Und am Donnerstag auf Sabbaticalism: Eine gute Tasse Kaffee mit Flashbacks

Das Beste am Reisen sind all die unerwarteten Begegnungen. Seit meinem Sabbatical in Südamerika reise ich daher mit neuer Mission durchs Leben: "Catching Smiles around the Globe." Wenn Du kein Lächeln mehr verpassen willst, folgst du mir am Besten auf  Facebook oder auf Instagram. ¡Hasta luego amigo!

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