Ich dachte ich müsste mich verrenken und pixelige Selfies schießen. Oder Fotografie-Legastheniker darum bitte gutgemeinte und doch unscharfe Fotos von mir zu knipsen. Doch da wusste ich noch nicht, dass ich Juan kennenlernen würde.
Umgeben von älteren Leuten
Im Flieger von Guayaquil, der größten Stadt Ecuadors, in Richtung San Cristobal, Galapagos.
Ich hätte es wissen müssen. Die Galapagos-Inseln sind nun mal kein klassisches Ziel für Backpacker. Es ist der Urlaub, den man sich einmal im Leben gönnt. Und da viele Menschen erst mit dem Gönnen beginnen, wenn sie ihr Rentenalter erreicht haben, bin ich gerade umgeben von älteren Leuten. Trotz all meiner Freunde-Finde-Tricks hatte ich es vorab nicht geschafft eine Reisebegleitung zu organisieren. Das Besondere an Galapagos ist, dass man den wilden Tieren so nah kommen kann wie nirgendwo sonst. Aber zählt das überhaupt, wenn es niemand per Foto festhält?
Ankunft auf der ersten Galapagos-Insel
Ein Darwin-Finke hüpft über den Flughafenvorplatz. Ich warte darauf zu meiner Unterkunft abgeholt zu werden und resümiere, was mich diese eine Woche kosten wird: 100 $ Parkeintritt, Flug für 500 $ und noch mal 600 $ für Unterkunft und Touren. Davon könnte man entspannt einen Monat in Ecuador leben. Ein resolutes Lächeln reißt mich aus meinen Gedanken. Die junge Dame ist ungefähr halb so groß wie ich. „Gregório?“ Ich nicke schmunzelnd und werfe meinen Rucksack auf ihren Jeep. Wir warten noch auf Juan, einen weiteren Gast der Herberge. Juan kommt aus der ecuadorianischen Hauptstadt Quito, ist etwas jünger als ich, arbeitet irgendwas mit Technik (?) und ist tatsächlich auch zum ersten Mal auf den Inseln. Er hat ein sympathisches schüchternes Lächeln und mag Wassereis. Ecuadorianer zahlen übrigens nur 6 $ für den Parkeintritt. Irgendwie schon fair. Galapagos soll ja kein Paradies für gutverdienende Europäer werden.
Der erste Kontakt mit den Seelöwen von Galapagos
Wenig später in unserer Herberge,
Ich klopfe an der Tür von Juan. Er sitzt vor seinem Laptop und beantwortet E-Mails. Die Reise nach Galapagos war so spontan, dass er sich etwas Arbeit mitgenommen hat. Von meinem Reisebüro habe ich eine Karte mit Empfehlungen für Orte zum Schnorcheln. Es ist einfach ihn zu überreden mitzukommen.
Wir schlendern die Stadtpromenade entlang und plaudern. Wie immer, wenn man sich gut unterhält verschwimmt die Umgebung ein kleines Bisschen. Als plötzlich ein etwas strenger Geruch unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht. Auf den Bänken, nur wenige Meter vor uns, rekeln sich Seelöwen im Halbschlaf. Die Tiere sind nachtaktiv und ein bisschen riecht es so, als hätten sie die letzte Nacht durchgefeiert.
Im Schatten unter dem Baum oder auf den Treppen; überall tummeln sie sich. Ich bin aufgeregt. Das ist die Chance auf ein gutes Erinnerungsfoto. Ich drücke Juan, auf seine Fotografier-Fertigkeiten hoffend, mein iPhone in die Hand und begebe mich vorsichtig in die Mitte einer Gruppe von Seelöwen. Mein Herz pumpt. Im Reisebüro hatte man mir gesagt, dass sie Menschen auch beißen können. (Vor Jahren war ein Pärchen von einem Bullen gebissen worden.) Immer wieder schnauft einer der Seelöwen bedrohlich (um Reste von Salzwasser aus der Nase zu pusten, wie ich aber erst später lernen werde).
Knips
Perfekt. Ein Foto, dass mich als mutigen Abenteurer inmitten der Seelöwen zeigt. Und es wird nicht bei einem bleiben. Es gibt viele Seelöwen auf dem Weg zu unserer Schnorchel-Bucht und mit jedem ‚Knipser‘ sinkt die Hemmschwelle sich den Tieren zu nähern. Anfassen ist verboten, aber herauszufinden wie nah man den Tieren kommen kann, die Mutprobe für jeden Touristen.
Kann man ja immer noch machen?
„Soll ich dich auch fotografieren?“ frage ich Juan immer mal wieder. Aber er ist nicht so wild auf Bilder, obwohl es auch seine erster Kontakt mit Galapagos ist. Vielleicht ist das die Entspannung, die man hat, wenn man immer einfach zurück kommen kann. Der gleiche Grund warum Touris manchmal mehr vom eigenen Land gesehen haben. Oder warst du schon Wattwandern an der Nordsee, Feiern auf dem Kölner Karneval und hast Neuschwanenstein besichtigt? Richtig! Kann man irgendwann immer noch machen.
Im Gegensatz zu mir hat er nur An- und Abflug und die ersten beiden Nächte gebucht. Sonst bin ich auch gern so flexibel. Auf Galapagos sind alle Herbergen, Transfers und die meisten Touren übers Reisebüro gebucht. Ich muss doch alles sehen, wenn ich vielleicht nur einmal hier bin!
Unter Wasser ändert sich alles
Wir sind an unserer Schnorchel-Bucht angekommen. Ein Familienvater filmt seine spielenden Kinder. Die Tochter posiert neben einem jungen Seelöwen. Der Sohn planscht fröhlich im Wasser und wird von Jungtieren umkreist. Es sind solche Szenen, die mich kurz inne halten lassen. Die das Gehirn jedes Stadtkindes mit ungewohnten Eindrücken überfluten. Die dein Denken stoppen und durch pures Wahrnehmen ersetzen. Und weit und breit kein Zaun und kein Wächter, der dieses Staunen bändigen könnte. Juan fotografiert, wie ich an dem Seelöwen vorbei ins Wasser tänzele. Ich setze meine Taucherbrille auf um noch weiter zu staunen. Denn unter Wasser ändert sich alles noch einmal. An Land mögen die Seelöwen putzig und träge wirken. Hier zischen sie wie Pfeile ganz nah an uns vorbei. Nur Jungtiere die spielen wollen kommen den Menschen so nahe. Das Wasser ist ihr Element und plötzlich sind wir die niedliche Attraktion. Unser Blick folgt ihnen während wir behäbig durch einen Schwarm funkelnder Fische schwimmen.
Ein erfolgreicher Foto-Tag endet
Die Sonne geht schon unter als wir wieder an dem kleinen Strand im Hauptort ankommen. Die Knips- und Staun-Geräusche der Touristen mischen sich mit der Abendstimmung. Ein Seelöwenbulle dreht seine Bahnen vor der Küste. Eine Seelöwin lässt sich von den Wellen treiben.
Ein Babyseelöwe robbt an mir vorbei. Er ist neugierig und kommt ganz nah heran.
Knips
In der kommenden Nacht schlafe ich zum Geheul der Seelöwen ein und bin glücklich.
Fortsetzung folgt …
Und nächstes Mal auf Sabbaticalism:
12 Stunden später, im Wasser, etwas abseits von der Küste.
Meine Hand brennt. Vielleicht hätte ich doch nicht so weit hinaus schwimmen sollen. Juan meinte, dass es hier Strömungen geben soll. Weit und breit ist niemand und dennoch fühle ich mich beobachtet. Ich werde besser zum Strand zurück schwimmen. Ich drehe mich um. Und tatsächlich! Direkt neben mir ist etwas. Und dieses Mal ist es kein Seelöwe.
Die nächste Folge von Sabbaticalism heißt „Der einsame Gregório“
P.S.: Frage an die Tierkundler unter euch: Wer mir sagen kann auf welchen Fotos ich unschuldige Robben unkundigerweise zu Seelöwen gemacht habe, bekommt von mir eine Gratis-Korrektur. 🙂 Wenn dir die Geschichte gefallen hat, freue ich mich über Kommentare, Likes, Shares und neue Mitreisende auf Facebook.
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