Anfang Oktober 2013,
Cartagena, war magisch. Die koloniale Altstadt mit ihren bunten Häuserfassaden hat mich verzaubert. Ein bisschen erinnerte sie mich an den Platz um die Frauenkirche in Dresden. Auch hier wurde etwas schönes Altes restauriert, so dass es in einem fast unwirklichen neuen Glanz erscheint. Die Regierung hat in den vergangenen Jahren massiv in die Restauration investiert um den Tourismus anzukurbeln. Mit Erfolg. Ich mache so viele Fotos, dass ich mich fast ein bisschen dafür schäme.
Auch der Abend war lustig. Ich treffe Jose Carlos, einen Freund von meinem mindestens genau so lustigen Arbeitskollegen Carlos. Erst geht’s in die Cerveceria, wo wir ein etwas besseres lokales Bier trinken. Später in eine Salsa Bar im historischen Zentrum. Inzwischen verstehe ich sogar ein kleines bisschen Costeño (den Dialekt der Küste). Eigentlich ist es ja wie Spanisch, nur lassen die Sprecher S und R weg, beziehungsweise werden die Buchstaben nur leicht gehaucht. Hätte ich das mal eher gewusst, dann hätte ich mich auch wunderbar mit Liliana unterhalten können. Der Abend endet, wie Abende in Kolumbien gern mal enden. Mit einer Flasche Aguardiente, diesem tückischen Zuckerrohrschnapps.
Cartagena bis Medellin
Ich sitze immer noch etwas verkatert neben einer Imbissbude im Busterminal von Cartagena. Im Colectivo vom Hostal hierher, bin ich mal wieder von Schulkindern für meinen Rucksack ausgelacht worden. Ich muss ca. 2 Stunden warten, bis mein Fernbus nach Cartagena losfährt und ich hoffentlich ein bisschen schlafen kann. Ich bin der einzige Essengast und trotzdem interessiert sich die Bedienung mehr für die Telenovela, die über den Bildschirm flackert, als für mich. Ich kann wählen zwischen Reis, fritierten Platanen, etwas Salat plus Fisch oder Reis, fritierten Platanen, etwas Salat plus Fleisch. Da ich gestern erst Fisch hatte, fällt die Wahl nicht schwer. Ich bestelle eine Cola und bin überrascht eine total verzuckerte rote Limo zu bekommen. In der Imbissbude nebenan sitzt ein Typ mit Rastalocken. Er nippt an seinem frisch gepressten Fruchtsaft. Ich bin neidisch.
„Das geht so nicht“ sagt der Busfahrer auf spanisch zu dem Typ mit den Rastas. Ich stehe mit Sam&Sarah, die ich zu dem Zeitpunkt noch nicht kenne, vor unserem Reisebus und beobachte eine kuriose Szene. Der Typ mit den Rastas reist mit einem Fahrad. Keinem gewöhnlichen. Es erinnert eher an ein Art Miniatur-Wohnmobil. Auf dem Gepäckträger ist ein Schachbrett, am Sattel hängen Taschen mit Kochutensilien und auf Höhe des Lenkers gibt es eine Smartphone-Halterung mit der Aufschrift „iBed“. Dank den Dolmetscherfertigkeiten von Sam lässt sich die Situation lösen. Unsere Taschen auf die eine Seite, Das Wohn-Fahrad auf die andere Seite.
„Hallo, ich bin River“ der Typ mit den Rastas mustert mich mit seinem Taschenlampen-Stirnband vom Sitz vor mir. Er ist Schotte, obwohl er für mich eher australisch klingt. River (englisch = Fluss) scheint ein möglicher Name in Schottland zu sein. Er sagt, er kenne zwei weitere Rivers und einen Ocean. River hat seine Tour vor ein paar Monaten in Mexico begonnen. Bisher ist er jede Strecke mit dem Fahrrad gefahren. Ob das nicht gefährlich sei, frage ich. Und River gibt zu, dass in Südamerika gewisse Gefahren von anderen Verkehrsteilnehmern ausgehen. Hauptproblem ist, dass das Konzept „Bremsen“ nicht richtig verstanden wird. Möglicherweise ist es auch eine Fehlkonstruktion der Autos hier. Statt zu bremsen wird gehupt. Ich erinnere mich an ein Straßenschild in Cartagena, welches eine durchgestrichene Hupe zeigt. Und ich erinnere mich, wie ich eine Weile da stand um dem rhythmischen Hupkonzert zu lauschen.
Die Strecke zwischen Cartagena und Medellin soll landschaftlich sehr schön sein. Da ich einen Nachtbus nehme, bekomme ich davon nur die Schattenseiten mit. Nicht enden wollende kurvige Bergstraßen. Der Busfahrer hastet und hupt uns durch die Nacht. Mein naiver Wunsch Schlafen zu können, erfüllt sich nicht. River zaubert aus einem Teil seiner Kleidung eine bequem wirkende Decke und scheint tatsächlich schlafen zu können. Ich bin wieder neidisch.
Die Sonne ist dabei aufzugehen. Wir halten an einer Raststätte in den Bergen. Ich taumele benommen durch den Morgen. Eine sympathische kolumbianische Mitreisende schenkt mir einen Kaffee. River bestellt sich Rühreier mit Toast. Ein bisschen fühlt er sich wie ein Betrüger. Die Strecke von Cartagena hierher ist die erste, die er nicht mit seinem Fahrrad gefahren ist. Er ist Programmierer und in Medellin gibt es eine wichtige Konferenz, die er besuchen will. Zumindest die letzen Kilometer, aus den Bergen ins Tal, will er selbst fahren. Und während ich mich wieder von dem Bus durchschütteln lasse, sitzt River auf seinem Wohn-Fahrrad und gleitet durch den kühlen Morgen. Irgendwie bin ich schon wieder neidisch.
… aktuell bin ich übrigens, anders als geplant, immer noch in Kolumbien. Irgendwann muss ich halt mal bei Niko in Buenos Aires sein. Und das liegt fast 5000 Kilometer südlich von hier.
P.S. Wer immer ganz genau wissen will, wo ich gerade bin, kann mich auch gern beim Travel-Twittern verfolgen. https://www.twitter.com/sabbaticalism und wer genau wie ich keine Lust mehr auf Busse hat, kann auch gern mit River mitradeln https://www.twitter.com/macleodan
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