Frühlingsspaziergang mit der Eintagsfamilie (1/2)

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Ich bin in Medellin, der Stadt des ewigen Frühlings. Tagsüber ist es warm, aber nicht so heiß, dass man schwitzen würde. Und nachts ist es sogar noch ein bisschen besser als im deutschen Frühling. Problemlos kann man, nur mit T-Shirt und kurzer Hose bekleidet, durch die laue Nacht schlendern.

Es ist Sonntag. Vielleicht auch Samstag. Auf Reisen verliert man immer so schnell das Gefühl für die Wochentage. Jedenfalls ist Wochenende und da macht man einen Spaziergang mit der Familie. Zumindest war das bei uns immer so. Da ich aber gerade keine Familie zur Hand habe, muss ich mir eine borgen. Ich lerne die Mitglieder meiner Ersatzfamilie im Palmtree-Hostel kennen, in dem ich seit ein paar Tagen wohnen. Darf ich vorstellen:

Meine Ersatzfamilie für einen Tag

Atma (Wie bei Mahatma): Amerikaner, oder besser Kalifornier. Mit Cowboyhut und speziell getönter Sonnenbrille, die Medellín in noch schöneren Farben erstrahlen lässt.

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Isabell: Tochter einer deutsche Mutter und eines brasilianischen Vaters. Studiert in Frankfurt. Ich beneide sie dafür, dass sie den Satz sagen kann: „I’m half Brazilian“

Sam&Sarah: Ein Pärchen aus Belgien. Beide schon sehr viel gereist. Aktuell sind sie genau wie ich auf der Nord-Südachse unterwegs. Mit dem Fernziel: Buenos Aires.

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Wir sitzen in einer Gondel und fahren hinauf zum Parque Arvi. Anfang 2013 ist Medellin für Projekte wie das „Metrocable“ zur innovativsten Stadt der Welt gekürt worden. Vor New York und Tel Aviv. „Es ist so, als würde man mit einem Ski-Lift durch die Stadt fahren“. meint Sarah vergnügt. Unter uns zwängen sich Einheimische durch die Marktstraßen. Auch der Ausblick ist traumhaft und er wird mit jedem Höhenmeter traumhafter. Am traumhaftesten ist er durch die getönte Brille von Atma.

Oben angekommen wird nach kurzer Brotzeit (Es gibt frische Früchte mit gezuckter Kondensmilch) demokratisch vom Familienrat entschieden einen Abstecher zum See zu machen. Ein kostenloser Bus, der schallende Ballenato-Musik spielt, bringt uns dahin. Der See ist in einem Park im Park und hat eine etwas verrückte Eintrittslogik. Man bezahlt erstmal nichts, muss aber eines der Freizeitangebote im Park nutzen um wieder raus zu können. Wir gehen zumindest erstmal rein. Wie immer bei Familienausflügen und zu vielen Optionen gibt es Unstimmigkeiten. Der Großteil der Gruppe würde gemeinsam mit mir gern in die Schmetterlingsfarm. Nur Isabell, unsere Jüngste, ist nicht begeistert. Sie würde viel lieber Boot fahren, zu mal es auch noch der günstigere Deal ist um den Park wieder zu verlassen.

Sie Szenerie ist beschrieben und die Charaktere vorgestellt. Damit daraus eine Geschichte wird, fehlt aber noch eine Person.

Warum ich fast nicht über Vicky geschrieben hätte, lest ihr hier im zweiten Teil

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Meine verrückte Route durch Südamerika – Teil 1

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Dem aufmerksamen Leser wird aufgefallen sein, dass ich bisher beim Erzählen dieser Reise nicht besonders chronologisch vorgegangen bin. In einem Moment bin ich mit Dona Patricia auf der Bromelienfarm der Familie Gruber, im nächsten Moment beim Kung-Fu-Training mit Miguel in Bogotá. Das wird auch so bleiben und ich will es begründen: Chronologische Geschichten sind ein bisschen wie Koffer packen vor einer Reise. Man muss sich ganz genau überlegen, was man alles braucht. Ich bekomme dabei regelmäßig eine leichte Packdepression. Ständig fallen mir neue Sachen ein, die vielleicht noch wichtig sein könnten. Jedes T-Shirt, jede Socke wird mehrfach ein- und ausgepackt, bevor ich mich final entscheide, was mit auf die Reise geht. Und am Zielort fehlt dann doch meine Lieblingshose, weil ich sie extra noch mal gewaschen habe, und zum Trocknen auf die Badheizung gelegt habe. Das ist doch purer Stress! Und außerdem so schade. Was, wenn Dona Patricia beim Füttern ihres Hundes etwas sehr kluges sagt, was ich aber erst im Dezember auf einer Party mit Niko in Buenos Aires verstehe? Manche Gedanken brauchen etwas Zeit, bis sie reif sind. Damit ihr aber nicht völlig die Orientierung verliert und damit auch die Chronologie-Fans unter euch auf ihre Kosten kommen, gibt es jetzt hier die neue Reihe „Meine verrückte Route durch Südamerika“ in der es nur um die Strecken zwischen den Orten geht. Heute: Von Bogotá bis Santa Marta

Bogotá – Fusagasugá:
Ich war gerade mal zwei Nächte und einen vollen Tag in der kolumbianischen Hauptstadt, als es schon wieder weitergeht. Dona Patricia ist verwandt mit einer Arbeitskollegin von mir. Ursprünglich war sie als Notfallkontakt gedacht, falls mir in Kolumbien was passieren sollte. Wir hatten uns auf einen Kaffee in der Altstadt Bogotás verabredet und sind uns spontan sympathisch. Ihre fröhliche Art erinnert mich an eine Freundin aus der Kindheit. Dona Patricia hatte mich in die „Casa Gruber“ nach Fusa eingeladen (Auch die Einheimischen haben mit dem komplizierten Stadtnahmen Probleme, weswegen sich diese Abkürzung eingebürgert hat) Nun sitzen wir in ihrem SUV. Die Stimmung ist gedrückt. Gerade wurde ihr Rucksack geklaut.Und wir haben noch ein anderes Problem. Zur Verkehrsberuhigung gibt es ein Gesetz, dass Autofahrer an jedem zweiten Tag zwingt zwischen 15:00 und 19:00 nicht Auto zu fahren. Die mit gerader Zahl auf dem Nummernschild dürfen nicht an geraden, die mit ungerader Zahl nicht an ungeraden Tagen des Monats fahren. Es ist kurz nach eins. Eigentlich genug Zeit. Doch der Verkehr in Bogotá ist unberechenbar. Patricia ruft ihren Bruder an. Er rät ab. Sie fragt mich. Das Schlimmste was passieren könnte, ist das wir vier Stunden an der Stadtgrenze von Bogota in einem Auto mit aufgebrochenem Heckfenster warten müssen. Ich bin ein gefährlicher Ratgeber, da mir gerade alles was ich noch nie gemacht habe, spannend erscheint. Wir fahren weiter und wir schaffen es. Sogar mit einer Stunde Puffer. im Radio läuft „Isn’t it ironic“ von Alanis Morissette. Wir drehen die Musik auf und singen laut mit. Das war wichtig

Fusagasugá-Bogotá
Drei Nächte war ich in Fusa. Dona Patricia ist bestens gelaunt als wir bei strahlendem Sonnenschein durch die kurvigen Dschungelstraßen fahren. Zwischendurch managt sie am Telefon die Geschäfte im Bromelienland. Ab und zu muss sie hupen. Wir haben Bromelien dabei, die wir ihrem Bruder auf die Orchideenmesse In Bogota mitbringen. In Bogotá angekommen, kämpfen wir wieder mit dem Verkehr und der Orientierung. Orientierung ist hier wie das Lösen einer Gleichung. Es gibt waagerechte und senkrechte Straßen die durgehend nummeriert sind. Patricia war in der Schule kein Mathe-Ass. Ich bin als Beifahrer wenig hilfreich, da mich alles was irgendwie ungewöhnlich ist, ablenkt. Auf Taxis und Bussen steht hier „¿Cómo conduzco?“ Wie fahre ich? Darunter steht eine Telefonnummer. Man kann also direkt anrufen, wenn man vom Vordermann fies ausgebremst wird. Ob das wohl funktioniert? Deisy wird mir später erklären, dass man bei diesen Nummern komischerweise nie durchkommt.

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Bogotá-Santa Marta
Es ist ungefähr fünf Uhr nachmittags und ich habe mich gerade schweren Herzens dazu durchgerungen heute noch Bogotá zu verlassen und mit dem Nachtbus an die Karibikküste zu fahren. Ich bitte die Cousine von Armando mir ein Taxi zum Busterminal zu bestellen. Die 17-jährige unterbricht ihre Musikprobe und hilft mir, ohne zu wissen, worauf sie sich einlässt. Es ist Rush Hour in Bogotá. Eine Stunde wird sie dasitzen und mit mir verschiedenste Telefonwarteschleifen ertragen. Zwischendurch löst sie auf ihrem iPhone fast ein sehr hohes Level von „Candy Crush“, an dem sie schon länger festhängt. Plötzlich geht es ganz schnell. Ich bekomme mein Passwort, welches ich dem Taxi-Fahrer sagen kann und er manövriert mich durch den Stau. Im Busterminal angekommen, bin ich ganz glücklich. Mein Bus fährt direkt in 20 Minuten los. Ich glaube den stressigsten Teil hinter mir zu haben und freue mich schon auf die Karibikküste, da weiß ich noch nicht, dass ich statt geplanten 16 ganze 30 Stunden in diesem Bus verbringen werde. Neben Liliana, die ich auf Grund ihres Küstenakzents zu diesem Zeitpunkt gar nicht verstehen kann, werde ich Alejandro treffen. Er wird für mich Spanischlehrer, Dschungelführer, Kolumbienexperte
und Stilberater in Einem sein. Doch dazu später mehr …

wird fortgesetzt

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P.S. Im Moment bin ich übrigens in Medellín – der Stadt des ewigen Frühlings. Wer immer auf dem allerneusten Stand sein will, kann mich auch gern beim Travel-Twittern verfolgen. https://www.twitter.com/sabbaticalism

Euer Gregório Jones

Sicher Reisen in Kolumbien oder: Wie man seine Papayas schützt

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„Warum muss es denn unbedingt Südamerika sein?“ Meine Familie ist wenig begeistert, als ich zum ersten Mal von meinen Sabbatical-Plänen berichte. „Und dann auch noch Kolumbien, und das allein!“ Zugegeben, dieses Land ist nicht unbedingt berühmt dafür besonders sicher zu sein. Drogenkartelle, Guerillakämpfer und Überfälle sind normalerweise die ersten Assoziationen, die kommen. So ziemlich jede Verabschiedung in Deutschland enthält ein besorgtes „Pass auf dich auf!“ oder ein nettes Witzchen über meine bevorstehende Geiselnahme durch die Guerillas. Meine ebenfalls blonde Chefin Donata meint, dass Leute wie wir stark auffallen und ganz besonders vorsichtig sein müssen. Aber wie funktioniert das mit dem Aufpassen? Ein paar Gedanken nach einem Monat in Südamerika.

Kenne den Weg und geh nicht allein! Eigentlich ist es nur ein knapper Kilometer von meiner Unterkunft in Bogotá bis zur Touristenattraktion Monserrate (ein Aussichtspunkt, von dem aus man einen fantastischen Blick auf die Stadt hat) So ganz wohl fühle ich mich nicht; so als einziger Fußgänger am Rande der Schnellstraße. Auch die Wohnungen am Hügel sehen etwas improvisiert aus. Plötzlich hält ein Motorrad mit zwei Polizisten neben mir. Sie sprechen Spanisch mit mir „¡Este lugar no es seguro! Vamos a acompañarle.“ Dieser Ort ist also nicht sicher. Sie begleiten mich die restlichen 200 Meter bis zu meinem Ziel. Na toll! All die guten Ratschläge und Warnungen und dann das. Ich bin von mir enttäuscht. Auf dem Rückweg hangele ich mich von Grüppchen zu Grüppchen um bloß nicht allein zu sein. War Kolumbien vielleicht doch keine so gute Idee?

„No dar papaya!“ In Kolumbien gibt es eine Redensart, die sagt, dass man keine Papaya geben soll. Man soll Wertvolles nicht leichtfertig zur Schau stellen. Ich bin mit Doña Patricia, der Tochter des deutschen Bromelienkönigs Don Franz, unterwegs in ihrem SUV durch Bogotá. Sie ist eine große Hundeliebhaberin und spricht perfekt Spanisch und Deutsch. Außerdem ist sie eine Frohnatur, die permanent lacht. So heftig, dass es fast unmöglich ist Fotos zu machen auf denen ihr Mund nicht in einer witzigen Position geöffnet ist. Mit ihr fühle ich mich sicher. Wir stoppen in einem vegetarischen Restaurant zum Mittagessen. Wie immer war die Parkplatzsuche nicht trivial und wir stehen etwas abseits vom Restaurant. Als wir das kochende Gemüse bereits riechen können, beschließt sie den SUV nochmal umzuparken. Es dauert keine Minute, da ist sie zurück. Aufgelöst und mit Tränen in den Augen. Das Autofenster wurde aufgebrochen. Ihr Rucksack wurde geklaut. Ohne groß darüber nachzudenken, hatte ich meinen mit ins Restaurant genommen, so dass ich nicht betroffen bin. Es ist bereits das dritte Mal, dass ihr hier der Rucksack gestohlen wurde. Ich versuche zu trösten. Mit mäßigem Erfolg. Unser Mittag lassen wir uns einpacken, um später auf einer sicheren Landstraße zu picknicken. Das Auto im Blick. Die Redensart „no dar papaya“ wird Patricia an diesem Tag hassen lernen, denn jedes Familienmitglied, wird ihr ausführlichst erklären, warum man niemals Wertgegenstände im Auto liegen lassen darf. Es dauert noch einen Abend, bevor Patricias fröhliches Lachen wieder auf Fotos zu sehen sein wird.

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Meine größte Papaya hat 32 Gigabyte Speicher, eine 5 Megapixel Kamera und ein Retina-Display mit 3,5 Zoll Bildschirmdiagonale. Sobald ich mein iPhone zum Fotografieren hervorhole, verändert sich meine Umwelt. Straßenverkäufer beginnen mit Amigo-Sprech-Chören und versuchen mir so lange ihre Produkte anzubieten, bis ich sie mit einem sehr bestimmten „No Gracias“ stoppe. Also keine Fotos machen? Um das ganze mal in Perspektive zu bringen, kann man sagen, dass Smartphones in der kolumbianischen Mittelschicht ähnlich häufig vorkommen, wie bei uns. Außerdem habe ich in meinem Leben noch nie so viel Polizei wie hier gesehen. Auf touristischen Plätzen, beim Spaziergang am Pier, im Internetcafé, beim Training der Fußball-Jugendmannschaft: Überall blitzen die neongelben Uniformen. Kolumbien bemüht sich seit Jahren um Tourismus und gilt inzwischen in den Touri-Ecken als deutlich sicherer als zum Beispiel Brasilien.

Sei selbstbewusst! – Die für mich überraschendste Erkenntnis zum Thema Sicherheit. In Bogotá lerne ich Miguel kennen. Er ist hier geboren und kennt die Stadt perfekt. Eine Notwendigkeit Kolumbien zu verlassen, sieht er nicht. Hier gibt es schließlich alles. Was nicht ganz falsch ist. Auf Grund der mangelhaften Kreativität der Siedler, gibt es in Bogotá Stadtviertel die Egipto (Ägypten), Canadá, Holanda oder eben Berlín heißen. Miguel kann Kung Fu. Früher ist er häufig überfallen worden. Heute passiert das nicht mehr. Nicht weil er Kung Fu kann, sondern weil er etwas festgestellt hat: „Räuber sind wie Hunde. Sie spüren, wenn du Angst hast.“ Ich erinnere mich an den Labrador von Dona Patricia, der schon den ein oder anderen Mitarbeiter der Bromelienfarm gebissen hat. Man darf „vorsichtig sein“ nicht mit „ängstlich handeln“ verwechseln. Ich bin mir sicher etwas sehr hilfreiches verstanden zu haben.

Rückblickend habe ich den ersten Monat ganz gut gemeistert. Und ja, ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn ich meine Papayas noch etwas behalten dürfte.
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Mein Tag im Bus mit Einheimischen

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Bogotá, Kolumbien,
Soll ich wirklich den Bus nehmen um zur kolumbianischen Karibikküste zu kommen? 16 Stunden soll es dauern. Armando, der lustige Professor der Sozialwissenschaften, bei dem ich in Bogotá wohne und der mich ein bisschen an Dirk Bach erinnert, ist skeptisch. „Tu pobre cuerpozito!“ „Dein armes Körperchen.“ Auf der anderen Seite spare ich eine Übernachtung. Und da ich zuletzt nette Leute in Bogotá kennengelernt habe, fällt mir der Abschied schwer und ich sehne mich nach etwas Zeit, bevor wieder etwas Neues beginnt. Ich entscheide mich für den letzten Nachtbus.

kurz darauf im Bus,
Ich bin in alle meine Pullover eingewickelt. Busse werden hier bis auf gefühlte Minusgrade heruntergekühlt. Hinter mir hustet und schnieft eine ältere Frau. Zum Glück ist der Platz neben mir frei, so dass ich tatsächlich ein paar Schlafphasen erhaschen kann. Nach 12 Stunden halten wir. Ich vermute eine arbeitsschutzrechtliche Pause der Fahrer und rücke meine Schlafmaske wieder in die optimale Position. Die Pause dauert an. Nach und nach verlassen immer mehr Passagiere den Bus. Als die Klimaanlage schließlich ausgeschaltet wird, und der Bus anfängt unerträglich heiß zu werden beschließe ich ebenfalls die Lage zu erkunden.

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Wir befinden uns inmitten eines gigantischen Staus. So weit das Auge reicht, gibt es nur Busse und LKWs. Keine Bewegung. Alejandro, ein Musiker aus Bogotá, erklärt mir, dass die Minenarbeiter streiken und die Zufahrt an die Küste blockiert ist. Grund ist ein neues Gesetz, welches der Regierung erlaubt illegale Maschinen zu konfiszieren und zu zerstören. Die Definition von „illegal“ obliegt dabei der Polizei. Was ein bisschen nach einer Initiative zur Förderung des ökologischen Bergbaus klingt, hat laut Alejandro andere Hintergründe: Viele Minenarbeiter leben am Existenzminimum und graben mit improvisierter Technik nach Gold und Smaragden. Ohne Steuern zu zahlen. Ein Dorn im Auge des Staates und der ausländischen Investoren, welche die hiesigen Bergwerke besitzen.

Wie so oft bin ich in meiner Gruppe der einzige große blonde Europäer. Der „Gringo“ eben. Ein Begriff der eigentlich aus Mexiko stammt und sich ursprünglich auf amerikanische Soldaten bezog. „green go“ – Gehe Grüner. Hier wird er pauschal für alle Touristen verwendet: Dass ich Deutscher und nicht Amerikaner bin, hebt meine Sympathiewerte geringfügig. Liliana, eine lokale Kosmetikerin findet Gefallen an mir. Sie hat das typische Aussehen der Frauen von der Küste: etwas breitere Hüften, wegen der kohlehydratreichen Ernährung mit jeder Menge Bohnen und Reis. Wie Shakira eben. Und sie spricht den für mich völlig unverständlichen Dialekt der Küste. „Gringo, Gringo“ geht es in einer Tour. Mit ihren Scherzen über mich unterhält sie den ganzen Bus. Und so werde ich nicht ganz freiwillig zum Unterhaltungsprogramm für die lange Wartezeit im Stau.

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So ganz wohl fühle ich mich nicht dabei, als wir kurze Zeit später einen Schleichweg durch den Dschungel nehmen. Zumal es nach 24 Stunden schon wieder dunkel wird. Doch die Stimmung ist dank Liliana und mir super. Wir machen Erinnerungsfotos im Dschungel. Und spätestens als ich in guter deutscher Tradition die Gruppe auf ein „Bier“ an der Raststätte einlade, habe ich auch die Sympathie der grummeligen Herren. Zumindest glaube ich das.

30 Stunden wird die Busfahrt insgesamt dauern. Ein bisschen nachdenklich lässt sie mich zurück. Ich bin mir sicher, dass keiner der Passagiere jemals Kolumbien verlassen hat. Ich frage mich, wie ich reagieren würde, wenn ich mein ganzes Leben immer in Deutschland gewesen wäre, und plötzlich ein paar putzig aussehende Fremde mit viel Kohle und mittelmäßigen Deutsch-Kenntnissen in meinem Land Urlaub machen. Würde ich mich freuen ihre Vokabeln für „Prost“ zu lernen?

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Anleitung zum Auswandern

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Man nehme einen waschechten Hessen mit einem Faible für exotische Pflanzen, verschiffe ihn nach Südamerika, pflanze ihn dort ein, wo er Regen- und Trockenzeit, sowie der Warmherzigkeit der Einheimischen ausgesetzt ist und warte bis er aufblüht. Im Fall „Don Franz“ kann sich das Ergebnis sehen lassen. Ein Zierpflanzen-Paradies, in dem die Blumenträume Kolumbiens und der Welt gezüchtet werden. Doch wie funktioniert Auswandern?

Auswandern ist ein Abenteuer!

Man würde ja meinen, dass Auswandern sehr gut vorbereitet sein will. Als Don Franz, der eigentlich Franz Gruber heißt, in Bogotá ankommt, ist er von der kalten Luft in der über 2000 Meter hohen Stadt überrascht. Er hat einen Vertrag in der Tasche, bei dem sich herausstellt, dass das Gehalt um eine Null geringer ist, als erwartet. Und er spricht kein Wort Spanisch. Von seinem Vater hat er Geld bekommen mit dem er sich sofort ein Rückflugticket kaufen könnte. Ein Freund gibt ihm den Rat das Abenteuer Kolumbien für ein Jahr auszuprobieren. Er bleibt.

Man muss ein Schwamm sein!

„Intelegenzia es darse cuenta“ Intelligenz ist die Fähigkeit zu Bemerken. Don Franz lernt die Sprache, lernt alles über das Klima und die lokalen Böden. Noch im ersten Jahr in Kolumbien, lernt er auch seine spätere Frau Dona Gloria kennen. „Das geht hier schnell.“ 5 Jahre lernt er, bevor er ein Stück Land in Fusagasugá erwirbt und die ersten Pflanzen anbaut.

Man muss eine Nische finden!

Don Franz will Bromelien züchten. Eine Pflanze, die ich mit meiner bescheidenen botanischen Bildung nicht mal kenne. Nationalpflanze von Kolumbien ist die Orchidee. Doch Orchideen sind schwieriger zu exportieren und es gibt viel Konkurrenz. Bromelien brauchen viel Geduld. Eine eher deutsche Tugend. Und während die ersten Bromelien gemächlich heranwachsen, baut Don Franz Salatköpfe an. Geschickt verkauft er diese an deutsche Botschafter für das doppelte des Marktpreises. Als Unterstützung für einen Landsmann, wie er charmant erklärt. Die Herren Botschafter sind amüsiert und zahlen gern.

Rückschläge gehören dazu!

In den 90ern baut Don Franz Tausende von Bonsais an, mit der Absicht alles an einen Amerikaner zu verkaufen. Doch der Deal platzt und er bleibt auf der Lieferung sitzen. Vor seiner nächsten Reise nach Europa, weist er seine Mitarbeiter an, alle Bonsais zu verbrennen. In Europa angekommen, findet er plötzlich einen Großabnehmer. Schnell ruft er zu Hause an, um die Verbrennung zu stoppen. Zu spät! Denn Rauch kann man nicht verkaufen.
Ein anderer Rückschlag kommt Ende der 90er. Die Kriminalität in Kolumbien ist schlimm. Kidnappings gehören zum Alltag. Don Franz bekommt einen Anruf, dass er monatlich Schutzgeld zahlen soll. Da greift sein Plan B. Mit seiner Familie und einigen Pflanzen, verlässt er Kolumbien und geht nach Brasilien. Nicht nach Rio, wo jeder hin will, sondern in die Hauptstadt Brasilia, wo es viele wohlhabende Administrations-Angestellte gibt. Sie lieben seine Bromelien. Als sich die Lage in Kolumbien beruhigt hat, kehrt er zurück. Die Zweigstelle in Brasilia bleibt.

Man wächst am besten Stück für Stück!

Anfangs ist es ein kleines Haus mit ein paar Beeten. Dann kommen Dächer und eine Bewässerungsanlage. Grundstück und Haus werden immer größer. 30 Mitarbeiter werden beschäftigt. Neben der brasilianischen Zweigstelle, gibt es eine zweite Finca in Kolumbien. Die hessische Jungpflanze hat einen prächtigen Blütenstand erreicht.

Man packt sich immer selbst mit ein!

Vielleicht ist das das Faszinierendste am Reisen oder eben am Auswandern. Unsere Fähigkeiten und Bedürfnisse ermöglichen uns auf fremder Erde völlig unterschiedliche Erfahrungen. Der eine bildet massive Wurzeln, der andere lässt sich vom Wind weiter wehen, nachdem er genug Wärme aufgesogen hat.

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Und welche Pflanze bist du?

Mein zweites Date mit Rio de Janeiro

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Das erste Date entscheidet darüber, ob man sich gefällt. Das zweite, ob daraus etwas werden kann. Ich hatte direkt Schmetterlinge im Bauch als ich Rio vor einem halben Jahr kennenlernte. Nun war ich entsprechend aufgeregt herauszufinden, wie es mit uns weitergeht.

Rio ist anfänglich etwas kühl

Dass ich den Satz „Ich habe das gute Wetter aus Deutschland mitgebracht.“ mal hier sagen würde, hätte ich mir auch nicht erträumt. Wenn man sich umschaut liegen überall rote Blätter. Doch statt Herbst, steht auf der Südhalbkugel der Sommer bevor. Und so werden wir mit jedem gemeinsam verbrachten Tag miteinander auch etwas wärmer.

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Rio ist eine Schönheit

Eine Dschungelgroßstadt. In den meisten Städten bemüht man sich redlich ein paar Bäumchen zu pflanzen um das Stadtbild grüner wirken zu lassen. Hier ist es anders herum. Der Dschungel duldet die Stadt. Rio bietet einen wahrhaft tropischen botanischen Garten und den größten innerstädtischen Nationalpark der Welt.

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Rio ist ein Poser

Öffentliches Trainieren und Proteinshakes mit tropischen Früchten gehören zum Leben am Strand. Wer nicht dem Ideal entspricht, denkt zumindest darüber nach seinen Lebensstil zu ändern und alles König Sixpack unterzuordnen. Zumindest so lange, bis er von den Strandverkäufern zu Bier und Caipirinha verführt wird. Auch interessant: Das Flirtverhalten. Erst wirft man sich waghalsig in die tosenden Wellen, dann stellt man sich neben sein Strandtuch, lässt sich vom Meerwind trocknen und checkt das Angebot. So ein bisschen wie bei Erdmännchen.

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Rio nuschelt

Vielleicht sind die Cariocas die Schwaben Brasiliens. (Cariocas nennt man die Einwohner Rios.) An jeder erdenklichen Stelle eines Wortes ist, wird „tsch“, „dsch“ oder „sch“ eingebaut. Und so wird portugues zu portugäsch, grande zu grandschi und ganz verrückt: futebol (deutsch = Fußball) eben zu futschiboa.

Rio ist herzlich

Ich wohne bei einem Carioca, der 13 Jahre in Berlin gelebt hat und seit zwei Jahren wieder zurück in seiner Heimatstadt ist. Er startet gerade eine neue Karriere als Pilates-Trainer. Ich lerne auch seine Freunde kennen. Sie freuen sich, wenn ich meine Portugiesisch-Brocken auspacke. Nur ein Gespräch kommt nicht wirklich zu Stande. Denn anders als in Deutschland wird nicht brav zu Englisch gewechselt, sobald jemand die Sprache nicht spricht. Rio will verstanden werden.

Rio ist nicht leicht zu haben

Rio muss erobert werden. Ob mir das gelingt, wird davon abhängen, ob ich noch tiefer in die geheimnisvolle Sprache der Sch-Laute eintauchen kann. In jedem Fall wollen wir uns wiedersehen. Das Zimmer für Silvester ist gebucht und ich habe gehört, dass Rio dann ganz in Weiß erscheinen wird.

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Liebes Abenteuer,

jetzt ist es nur noch ein Tag bis wir uns in Rio de Janeiro begegnen. Hab schon viel von dir gehört. Du sollst ja manchmal etwas aufbrausend und stürmisch sein. Man soll durch dich super interessante Menschen kennenlernen. Was jetzt aber nicht heißen soll, dass ich dich nur als Multiplikator nutzen will. Wenn wir uns nicht direkt mögen, haben wir immerhin 6 Monate Zeit uns aneinander zu gewöhnen. Um unsere Freundschaft zünftig zu beginnen, wäre es perfekt, wenn du mich morgen früh 5:30 Uhr am Flughafen mit einem frischgebrühten Kaffee empfangen könntest. Ich bin der mit dem neugierigen Blick.

Herzlichst

Dein Gregor Jones

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