Postsabbaticalism = Der Kopf will einfach nicht kapieren, dass der Körper nach der ganz großen Reise wieder am selben alten Ort ist. Dort wo die Zeit scheinbar stehen geblieben ist. Ist sie nur nicht…
Berlin im Frühling, nach meiner Rückkehr,
Die Krokusse blühen und die Leute sagen, dass der Winter dieses Jahr nicht so hart war. Es ist auch schon sehr warm für die Jahreszeit. Mir ist trotzdem kalt.
Der erste Tag im alten Job
…
Kollege (mit einem Lächeln): Gregório
Ich (das Lächeln beantwortend): Hey
Ich freue mich wirklich die Kollegen wieder zu sehen. Wenn es nur nicht ganz so viele auf einmal wären. Die Krux eines Großkonzerns. Mehr als unser Gemeinschaftsbüro und den Gang traue ich mir heute noch nicht zu. Mal sehen, morgen vielleicht die restliche Etage … Und Ende der Woche ein Abstecher ins andere Stockwerk.
Kollege: Aber braun bist du nicht geworden
Ich (das Lächeln etwas bemüht haltend): Ja, ich werde ja nicht so braun
Merke: Egal wie lange und wie weit man weg war. In Deutschland wird der Spaß den man hatte an der Hautfarbe abgelesen. Ich werde hier nie gewinnen können.
Kollege: Habe manchmal deinen Blog verfolgt. Bei den Bildern konnte man schon neidisch werden.
Ich: Cool. Das Schreiben hat mir auch Spaß gemacht.
Ich überlege kurz ob irgendjemand auch gelesen hat, was ich geschrieben habe, verwerfe den Gedanken aber direkt wieder.
Kollege: Und wo war’s am schönsten? Ist wahrscheinlich schwer zu sagen.
Ich: Ja stimmt…
Tatsächlich schwierig. Wenn ich ein Land lobe, tue ich einem anderen Unrecht. Deswegen sage ich ganz leise damit Brasilien, Argentinien und Ecuador nicht beleidigt sind:
Ich: Kolumbien hat mich am meisten überrascht.
Kollege: Ja, das hab ich schon häufig gehört.
Der Kollege zögert, ob er die Themen Kriminalität und Kokain ansprechen soll, aber die Zeit ist knapp. Das nächste Meeting naht.
Kollege: Dann komm erst mal an. Ist bestimmt nicht so einfach nach all der Zeit. Ich stell uns mal einen Mittagstermin ein.
Es gibt Leute, die schaffen es Kurzurlaube besser auszuschmücken, als ich meine sechs Monate in Südamerika.
…
Hilfe, Ich leide an Postsabbaticalism!
Ich habe in den Wochen nach meiner Rückkehr sehr viele Verabredungen zum Mittag. Mittag ist bei uns in der Firma jetzt praktischerweise kostenlos. Eine Sache die anders ist. Aber sollte mein Leben nach dieser Reise nicht generell ganz anders, kunterbunt und wahnsinnig aufregend sein? Ein Leben nach dem Happy End eines erfüllten Traums. Ich inspiriert, mit vielen neuen Ideen und dankbar für diese einmalige Chance. Stattdessen bin ich lethargisch, ärgere mich darüber, dass ich alle Passwörter vergessen habe und stopfe mich beim kostenlosen Mittag voll.
Ich habe so viel in Südamerika erlebt. Vielleicht bin ich dabei ja sogar ein anderer Mensch geworden. In meiner alten Welt wartet eine alte Version von mir auf mich. Wie ein Anzug, der angestaubt in einem Schrank hing. Schluss mit dem abenteuerlustigen Reiseschriftsteller Gregório Jones. Ich bin jetzt wieder der E-Mail-Schreiber Gregor T. Und nach meinen Maßstäben der alten Welt hat dieser ein halbes Jahr aufzuholen. Irgendwie frustrierend.
Ich musste etwas ändern! Irgendwas!
Man hört immer wieder von Leute, die wenn sie in Rente gehen, nach all den Arbeitsjahren auf ihr Leben zurückblicken und bestimmte Dinge bereuen. In gewisser Hinsicht ist so ein Sabbatical ein Vorgeschmack auf die Rente. Nur das man danach noch etwas mehr Zeit hat Dinge zu ändern. Viel wird sich in dem halben Jahr nach meiner Rückkehr verändern.
Berlin im Herbst, in meiner neuen Wohnung im Schillerkiez,
Die Sonne hat mich geweckt. Sieht ganz so aus, als ob der Spätsommer dieses Jahr ewig dauern würde. Ich muss mir dringend Rollos besorgen. Genauso wie ein neues Bett, eine Waschmaschine, einen Kühlschrank,…. Oh Mann. Das WG-Leben hatte schon Vorteile. Eigentlich war ich ja immer der Meinung, dass der Mensch nicht zum Alleinleben gemacht ist. Dass es mir jetzt tatsächlich gefällt, überrascht mich. Genauso wie die Tatsache, dass ich nach all den Jahren und dem was damals passiert ist wieder Autobesitzer bin. Vielleicht werde ich nun doch noch erwachsen?
Ich muss los zur Arbeit. Seit neustem bin ich dort Discoverer (zu deutsch „Entdecker“). Meine Oma wird nie verstehen, was ich eigentlich arbeite. Der Fahrradweg ist jetzt mehr als doppelt so lang, aber auch um ein Vielfaches aufregender und heute radle ich ihn zum ersten Mal. Noch drei Querstraßen, den Berg hoch fahren, durch das Tor einbiegen, kurz schauen ob Kohlmeisen durchs Gebüsch hüpfen, und dann: Staunen! Vor mir liegen 386 Hektar Freiheit. Eine Fläche größer als das Fürstentum Monaco. Diesen Sommer wurde entschieden, dass das Tempelhofer Feld, entgegen aller Bebauungspläne und zur Freude der Berliner genau so erhalten bleibt.
Ich gleite mit meinem Fahrrad über die alte Startbahn durch den Berliner Morgen. Am Horizont sehe ich das pompöse alte Flughafengebäude. Der Fahrtwind saust über meine Ohren. Irgendwie bin ich glücklich.
Doch noch etwas musste sich ändern…
Alles neu mach der November! Seit Anfang November habe ich jeden Freitag frei. Weniger Geld, dafür einen ganzen Tag Zeit um die Sache zu machen, die mir mir in meinem Sabbatical am meisten Spaß gemacht hat. Nein, ich meine jetzt nicht das Reisen. Dafür wäre der eine Tag wohl doch etwas knapp.
Ich habe Bock wieder zu schreiben!
Über Dinge, die anders sind als man denkt,
Über Menschen, die mich inspirieren oder bewegen,
Über die witzige Seite des Clash of Cultures in Berlin,
Übers Sprachen lernen mit Anfang Mitte 30,
Über die Rückkehr in ein neues altes Leben nach der großen Reise
Und über Südamerika. Ich kann ja schlecht dieses Blog beenden, ohne euch von Galapagos erzählt zu haben.
Letztlich hängt es wohl davon ab, ob es mir gelingt Dich zu überzeugen wieder mitzulesen. Denn ohne Leser macht Schreiben auch nur halb so viel Spaß.
Dein Gregor Gregório
Hattest du auch schon mal Post-Sabbaticalism? Oder hast du vielleicht Lesewünsche für dieses Blog? Dann freue ich mich über Kommentare.
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