Wer seine Träume leben darf und wer nicht

James, ich und Typhanie

Was meinst Du? Darf ich meinen Traum leben oder Du Deinen? Oder darf etwa jeder seinen Traum leben?

James, ich und Typhanie

James, ich und Typhanie

Sydney, Australien,
In unseren leuchtenden Augen spiegelt sich das Feuerwerk über Sydneys Darling Harbor. Um meine Hand habe ich den roten Herz-Luftballon gebunden, den mir eine der Tänzerinnen gegeben hat. Oh Mann, wir haben gerade ein Privatkonzert von Kylie Minogue bekommen. Ein Traum! Besser geht’s nicht! Das Feuerwerk endet schließlich mit einem letzten wohligen Raunen der euphorisierten Menge. “Hat jemand Typhanie gesehen?”, fragt eine meiner Blogger-Kolleginnen. Ich hatte die französische Lifestyle-Journalistin aus dem Libanon während des Konzerts zuletzt gesehen. “Da ist sie!” Erstaunt stellen wir fest, dass Typhanie es irgendwie in den VIP-Bereich geschafft hatte. Ian Thorpe und Millie Mackintosh sollen hier sein. Ich weiß weder, wer das ist, noch würde ich sie erkennen. Die Security will uns nicht durchlassen. Nach dem Faux Pas mit dem Pfirsich-Kompott wollen sie jetzt alles richtig machen. Typhanie sieht uns nicht. Energisch plaudert sie sich durch die Prominenz. Die Security lässt sich zumindest soweit erweichen, ihr unsere Präsenz zu signalisieren. “Ich weiß nicht, wer diese Leute sind, aber sie lieben mich” , berichtet sie uns euphorisiert. Typhanie würde gern noch bleiben. Es gibt nur ein Problem. Die Limousine, die uns zurück ins Hotel bringen soll, wartet. Und auf unserer Seite der roten VIP-Kordel wird es langsam leerer. “Na gut. Ich sage noch schnell Tschüss und dann komme ich” , grummelt Typhanie. “Wer weiß, was für tolle Goodie Bags ich hier noch bekommen hätte.”

Lifestyle-Journalistin Typhanie auf der Seite derer, die es geschafft haben

Lifestyle-Journalistin Typhanie auf der Seite derer, die es geschafft haben

Hintergrund: Qatar Airways hatte mich und fünf andere Blogger und Journalisten auf diese Reise eingeladen, um mit uns ihre neue Flugroute nach Sydney zu feiern. Alle Eindrücke, Gedanken und Gefühle in dieser Geschichte sind von mir.

Wer darf seine Träume leben?

Am nächsten Abend, in einem Taxi, auf dem Weg in Sydneys Stadtteil Redfern,
Es ist mein einziger Abend allein. Die anderen sind in einem schicken 360° Restaurant mit Blick über Sydney. Ich war auf dem Weg, ein besonderes Lächeln zu fotografieren. “Nach Redfern, bitte.” Ich gebe dem Taxifahrer die Adresse, die mir James geschickt hat. “Das ist aber keine sichere Ecke”, meint er, “wobei es besser geworden ist.” Redfern ist anscheinend so etwas wie das Berlin Neukölln von Sydney. Klassisch von indigenen Arbeitern bewohnt, inzwischen von Künstlern und Hipstern überrannt.

Mein Taxi-Fahrer stammt aus Indien. Er ist zum Studium hergekommen. Irgendwas mit Technik. Einen Job in dem Bereich hat er nicht bekommen. Er ist auch kein glücklicher Taxi-Fahrer. “In Deutschland habt ihr das richtig gemacht. Hier macht Uber den Markt kaputt.” (Tatsächlich haben wir in Deutschland inzwischen auch den Taxi-Killer Uber, allerdings dürfen Uber-Fahrer keine günstigeren Tarife als unsere Taxi-Fahrer anbieten.) Ich überlege, ob ich ein Lächel-Foto von meinem Fahrer machen sollte. Nur was würde ich dazu schreiben?: Von einem, der einen Traum hatte, dafür bereit war seine Heimat zu verlassen, um in Sydney zu einem unglücklichen Taxi-Fahrer zu werden? Das würde bestimmt niemand liken. Aber es wäre die Wahrheit. Oder zumindest der kleine Ausschnitt der Wahrheit, der mir hier präsentiert wird.

Die Taxi-Fahrt von unserem Luxus-Hotel bis nach Redfern ist lang. Ich denke über meine Wahrheit nach. Über meinen Traum. Ich hatte mich der Horde derer angeschlossen, die ohne konkreten Plan ihren sicheren Konzernjob aufgeben. Alles für den groben Traum, Geschichten-Erzähler zu werden und damit mein Geld zu verdienen. Das Ganze in Zeiten, in denen keiner mehr Zeitungen liest, in denen kostenlose Online-Nachrichtenportale mit aktiviertem Werbe-Blocker besucht werden. In Zeiten, in denen gestandene Journalisten mit jahrelanger Erfahrung wegrationalisiert werden, wollte ich – der Hobby-Blogger, der vor Jahren im Studium mal ein paar Journalismus-Kurse besucht hat und der sich damals sicher war, nicht genug Allgemeinwissen zu haben, um einen harten Aufnahme-Test an einer dieser Journalisten-Schulen zu bestehen -, ich wollte mal eben professioneller Geschichten-Erzähler werden. Bin ich, ohne es zu merken, zum naiven Klischee geworden? Ein hoffnungsloser Romantiker, der auf ein paar Gaukler hereingefallen ist? Irgendwo muss ja schließlich das Geld herkommen.

“Wir sind da.” Mein Taxi-Fahrer muss gleich wieder weiter. Er hat geflucht. Für den nächsten Fahrgast muss er wieder durch die ganze Stadt. Ich weiß nicht, was die Taxi-Fahrt gekostet hätte. Dem Fahrer gebe ich einen Gutschein, den mir unsere Reiseführerin Claire für meinen “abenteuerlichen” Ausflug in die Hand gedrückt hat. Ein Foto von seinem Lächeln mache ich nicht.

A Smile somewhere Down Under the Rainbow

Zuhause bei James, Redfern, Sydney,
“Bist du hier, um dein Kostüm abzuholen?”, fragt mich die Irin, die ich im Zuhause von James antreffe. Hier gibt es jede Menge knallig bunte Anzüge und Diskokugeln.
“Nein, ich wollte ein Foto von James machen. Er ist der Freund einer Freundin.”
“Ah, okay. Bist du denn morgen bei Mardi Gras dabei? Wir haben unseren eigenen Wagen”, fragt sie mich mit Stolz.
“Leider nicht. Wir fahren für das Wochenende in die Blue Mountains”, sage ich mit einem unerwarteten Funken Traurigkeit
“Aber Mardi Gras ist doch die größte Party des Jahres. Da bist du schon mal hier. ”
“Ich habe halt leider nur eine Woche in Australien.”
“Ah.”

Ein quirliges Lächeln schneit zur Tür herein. James hatte den Vormittag damit verbracht, Kreide-Regenbögen bei der Lincoln Station zu malen. Dann hat ihm ein Blumenverkäufer spontan ein paar Blumen geschenkt und er hat beschlossen, diese an “Fremde” weiterzugeben. “Warte, ich muss nur noch schnell zwei Blumen verschenken, dann können wir das Foto machen.”

Ein Lächeln irgendwo Down Under dem Regenbogen

Ein Lächeln irgendwo Down Under dem Regenbogen

Nach dem Foto gehe ich mit James und seiner irischen Freundin in eine Bar um die Ecke. Sie will sich nicht fotografieren lassen. Meint, sie sei nicht so fotogen. Dabei wäre es so eine schöne Geschichte, wie sie aus Irland nach Australien kommt, hier als Programmiererin arbeitet und in ihrer Freizeit große Freude dabei hat, James bei seinen Projekten zu unterstützen. DIY Rainbow heißt das Projekt von James, was auf Facebook über 60.000 Follower hat. Dabei macht er eigentlich nichts anderes, als mit bunter Kreide Regenbögen auf Fußwege zu zeichnen, diese dann zu fotografieren und auf Social Media zu veröffentlichen. Damit will er Aufmerksamkeit für die queere Community hier in Australien schaffen. Die beiden laden mich auf ein Pale Ale ein (immerhin 9 australische Dollar = 6 Euro). Wir kommen ins Philosophieren. Geld verdient James mit seinen Aktionen trotz all der Follower keins. Ab und zu kommt er über seine Bekanntheit an Moderations-Jobs. Darf man mit so verrückten Dingen wie Kreide-Regenbögen oder Lächel-Geschichten sein Geld verdienen? Wenn man es gut machen will, kostet das schon auch Zeit und Energie. Es ist durchaus Arbeit. Gut, mit einem Bergarbeiter in einer Kohle-Mine ist das sicher nicht vergleichbar, aber so viele arbeiten in unserer westlichen Gesellschaft, nun auch nicht in solchen Jobs. Im Zuge der fortschreitenden Technisierung dieser Welt sind viele Jobs weggefallen. Viele Leute, die das Glück hatten, Bildung zu bekommen, sind jetzt Büro-Arbeiter und E-Mail-Schriftsteller. Ich war ja selbst auch einer, bevor ich mich dieser Träume-Leben-Horde angeschlossen hatte. Die Härte der Arbeit ist, aus unserer westlichen Brille gesehen, kein sehr starkes Argument gegen das Träume leben. Dann vielleicht die Tatsache, dass diese Gesellschaft nicht mehr funktionieren würde, wenn jeder plötzlich mit dem Träumen anfängt. Wer soll denn die Müllabfuhr machen, die Taxis fahren oder das Bier am Späti verkaufen, wenn alle gerade “busy” sind, ihre Träume zu leben? Oder wird das die Technik auch irgendwann für uns machen? Bei all den Gedanken zum Geld-Verdienen mit Träumen gibt es eine Frage, die fast ein bisschen kindlich naiv daher kommt; auf die wir aber trotzdem keine Antwort finden: „Warum ist es eigentlich so viel einfacher mit schlechten Dingen Geld zu verdienen als mit guten?“

Es war ein schöner Abend, der mir ein anderes Sydney gezeigt hat. “Und du willst echt an dem Tag, an dem in Sydney die größte Party des Jahres stattfindet, in die Blue Mountains fahren? Das kannst du doch immer noch machen”, hatte James mir zum Abschied gesagt. Ich grübele, während ich in einem Taxi zurück ins Hotel fahre. Ich bin doch jetzt der Typ, der sich aus vorgefertigten Plänen befreit, um das umzusetzen, was er will. Sollte ich Claire einfach sagen, dass ich das Wochenende auf eigene Kosten hier in irgendeinem Hostel bleibe. In Melbourne und in Sydney hatte ich schon genug erlebt, dass es für mindestens zwei Blogposts reicht. Hmm…

Mardi Gras – die größte queere Party Australiens

Am Abend des Folgetages, beim großen Mardi Gras Umzug,
Es ist ein berauschendes Fest. Die Stimmung ist phänomenal. So viele bunte und kreative Kostüme. Einige der Jungs haben seit Wochen keine Kohlehydrate mehr gegessen, um hier ihre Traumkörper päsentieren zu können. Das Highlight: James hat sich als Smiley verkleidet.

ein berauschendes Fest (Foto: DIY Rainbow / Marcel )

ein berauschendes Fest (Foto: DIY Rainbow / Marcel)

seit Wochen ohne Kohlehydrate für den Traumkörper (Foto: DIY Rainbow)

seit Wochen ohne Kohlehydrate für den Traumkörper (Foto: DIY Rainbow)

das Highlight: James als Smiley (Foto: DIY Rainbow)

das Highlight: James als riesiges Smiley (Foto: DIY Rainbow)

Es war ein berauschendes Fest, aber es fand ohne mich statt.

12 Stunden vorher, am Morgen des Folgetages,
Unser Fahrer fährt auf der linken Straßenseite (der korrekten Seite, wie die Australier sagen) in Richtung der Blue Mountains. Claire, Typhanie, Leyla, Camille, Felicity, Daisy und Christian sind auch an Bord. Ja, ich wäre gern zum Mardi Gras gegangen und wahrscheinlich ergibt sich eine solche Chance nicht so schnell wieder, aber mein Traum ist nun mal gerade ein anderer. Ich will Geschichten erzählen. Meine Geschichte über die eine Woche in Australien hatte einen ganz fluffigen Anfang in Melbourne. Es gab einen pompösen Hauptteil in Sydney mit Superstar Kylie Minogue. Aber es fehlte noch ein Ende. Es musste noch etwas Besonderes passieren. Etwas Besonderes, was nur passieren konnte, weil ich in die Blue Mountains gefahren bin.

Fortsetzung folgt

Ich, der Erzähler dieser Geschichte, in den Blue Mountains

Ich, der Erzähler dieser Geschichte, in den Blue Mountains

* Es gibt so viele verschiedene Träume. Den Traum Kinder zu haben, den Reisetraum, den Traumberuf, das Traumhaus, den Traumkörper, den Traum berühmt zu sein, den Traum vom besseren Leben in einer anderen Welt, den Traum diese Welt zu verbessern … und so viele andere. Was meinst du, wer darf seinen Traum leben? Hätten wir vielleicht sogar alle eine Chance darauf, wenn wir nicht der Meinung wären, dass wir einfach alles haben müssen, was wir bekommen könnten? Mit der Gefahr, dass wir es jemandem wegnehmen, der es wirklich gern gehabt hätte. Und sollten wir, die wir das mit dem Träume-Leben ausprobieren, einer Gesellschaft dankbar sein, die uns besondere Privilegien schenkt, welche andere Gesellschaften gar nicht haben? Oder sollten wir daran arbeiten, das zu ändern, auf die Gefahr hin, danach als Gesellschaft weniger zu haben?

**Falls du mir helfen magst, meinen Traum vom Geschichten erzählen zu verwirklichen, wäre es großartig, wenn du diese Geschichte liken, teilen oder kommentieren könntest. Du darfst gern auch kritisch kommentieren. Follower auf Facebook, Instagram, Snapchat oder per Newsletter sind auch großartig. Mein dankbares Lächeln ist dir sicher. 🙂

Dein Gregorio Jones

Träumer bei der Arbeit (Foto: DIY Rainbow)

Träumer bei der Arbeit (Foto: DIY Rainbow)

Und was ist jetzt Dein Traum?

Das Beste am Reisen sind all die unerwarteten Begegnungen. Seit meinem Sabbatical in Südamerika reise ich daher mit neuer Mission durchs Leben: "Catching Smiles around the Globe." Wenn Du kein Lächeln mehr verpassen willst, folgst du mir am Besten auf  Facebook oder auf Instagram. ¡Hasta luego amigo!

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