Und den Karneval in Rio 2014 gewinnt …

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Wie sieht eigentlich Freude aus? Ich bin mit Olivia im Sambódromo. Das Sambódromo ist ein Stadion welches eigens für Karnevals-Paraden gebaut wurde. Vor uns liegt ein Meer aus Farben, Samba und Lebensfreude. Ein Film aus Fröhlichkeit legt sich über die Gesichter der Zuschauer. Man wird zu einer Figur in größten Trickfilm der Welt. Und mit jedem neuen Taktschlag taucht man tiefer in diese Phantasiewelt ein. Blaue Eisdrachen, hüpfende Puppenmenschen und schwebende Klaviere. Alles ist möglich! „Schau mal her!“ sagt Olivia zu mir. KLICK
Und so sieht Freude aus.

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Ich war mir lange nicht sicher, ob ich wirklich ins Sambódromo gehen soll, um die Parade zu sehen. 150 Euro kostet mein Ticket. Und ich hätte auch locker das Doppelte bezahlen können. Dafür bekommt man knapp 9 Stunden Samba. Von 9 Uhr abends bis 6 Uhr in der Frühe. Ein Samba-Marathon : ein Sambathon (zu dem man sich Kekse und zwei Flaschen Wasser mitbringen darf). Etwas ganz Besonderes. Eine Sache, die man einmal im Leben macht. Aber 9 Stunden ganz alleine? Obwohl ich über einen Monat in Rio „gelebt“ hatte, hatte ich bis vor kurzem noch niemanden gefunden, der mit mir hier hergehen wollte.

Olivia zu treffen war ein Glücksfall. Olivia ist eine gute Freundin vom genial-verrückten Filmemacher Jörg aus Wiesbaden, den ich vom Studium her kenne. Und Olivia ist Carioca (In Rio geboren). Im März dieses Jahres wird sie nach Deutschland gehen um dort zu leben. Sie ist inzwischen 40 (was man ihr nicht ansieht) und sie war noch nie im Sambódromo. „Ich komme mit“ hatte sie kurzentschlossen gesagt … und dann ein etwas günstigeres Ticket über eine brasilianische Website bestellt.

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Insgesamt 12 Schulen treten an um Sieger im Karneval zu werden. Jede Schule hat eine Stunde und zwanzig Minuten für ihre Performance. Einmarschieren, Tanzen und das Konfetti wegputzen müssen in dieser Zeit realisiert werden. Der Wettbewerb ist auf zwei Tage verteilt. Wir sehen an diesem Sonntag die ersten sechs Schulen. Ich musste unbedingt an diesem Tag gehen, denn ich habe gleich drei Favoriten, die heute tanzen.

Favorit 1: Grande Rio
Teamfarbe: grün-rot-weiß
Champion: noch nie

Warum? Weil ich bestechlich bin. Vor ein paar Wochen habe ich die Schule gemeinsam mit Laura und Oscar aus meinem Portugiesischkurs besucht. Unsere Sympathie wurde geschickt erkauft. Wir durften vorab einen Blick auf die streng geheimen neuen Kostüme werfen, einen Samba-Crashkurs machen und uns für Facebook in richtigen Karnevalskostümen fotografieren lassen.

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Wie war’s? Grande Rio ist der Underdog, der seit den 80ern dabei ist und noch nie gewonnen hat. Die Performance glänzt mit kreativen Wagen und gewagten Performances. So wird ein Mann zur lebenden Kanonenkugel und landet vor einer Horde Krabbenmenschen.
Allerdings ist der Samba nicht ganz so spannend, wie Olivia kritisch bemängelt.

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Favorit 2: Mangueira
Teamfarbe: grün-rosa
Champion: 18 Mal

Warum? Wegen Washington. Als ich im September 2013 in Rio ankomme, wohne ich bei Washington. Er ist Carioca, hat aber zwölf Jahre in Berlin gelebt. Als er vor zwei Jahren zurück in seine Heimat Rio zurückkehrte, soll es vorgekommen sein, dass er anderen Brasilianern zur Begrüßung distanziert die Hand gab, statt sie direkt herzlich zu drücken. Das Tanzen hat er aber für keine Sekunde verlernt. Und so eröffnet er heute auf dem ersten Wagen als Samba tanzender Indianer.

Wie war’s? Die traditionsreiche und sehr beliebte Schule Mangueira tanzt die Feste Brasiliens. Beginnend mit dem ersten Umtrunk zwischen Ureinwohnern und Portugiesen, über die traditionellen fröhlichen Feste Norbrasiliens, den wilden Gay Pride von São Paulo, bis hin zur größten Party der Welt: dem Karneval in Rio. Sehr bunt, sehr fröhlich!

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Olivia ist, wie es sich für eine Carioca gehört, eine Karneval-Expertin und bemängelt dass teils Lücken zwischen den einzelnen Blöcken waren. „Das gibt Punktabzug“ (Merke! Es gibt also auch eine Abseits-Regel im Karneval)

Favorit 3: Salgueiro
Teamfarbe: rot-weiß
Champion: 9 Mal

Warum: Wegen David (auf brasilianischem Portugiesisch eher ‚Davidschi‘ gesprochen) Ich hatte ihn an Rios Partystrand Ipanema kennengelernt. Er ist Zirkuskünstler und macht manchmal auch Handstände am Strand. Und man zweifelt höchstens daran ob es nun seine Darbietung oder das herausfordernde Funkeln seiner Augen ist, was die Zuschauer mehr fasziniert. Dass der Anfang Zwanzigjährige jetzt schon ein Star ist, bezweifelt keiner.

Die Sambaschule Salgueiro würde jeden Grünen-Wähler mit ihrer Performance glücklich machen. Nachdem die Elemente Wasser, Erde, Feuer und Luft durchgetanzt sind, tanzen verkleidete Windräder und Solarzellen einen extatischen Samba für die Energiewende.

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Und wer immer noch nicht verstanden hat, wie wichtig der Schutz unserer Erde ist, dem wird auf dem letzten Wagen ein Endzeit-Szenario präsentiert. Darauf ein Künstler, der passend zum Thema besonders bedrohlich turnt und heute ganz gefährlich funkelt.

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Olivia ist zufrieden. Salgueiro stand schön kompakt, die Geschichte war gut und der Samba hat die Massen mitgerissen. Das könnte für den Sieg reichen.

drei Tage später, am Aschermittwoch, vor einer Saftbar in Rio de Janeiro,
ich habe mir grade noch einen leckeren Açai zum Abschied gekauft. In einer Stunde nehme ich das Taxi zum Flughafen um die Reise nach Hause anzutreten. Doch das ist gerade nicht das Wichtigste. Wie alle anderen schaue auch ich gebannt auf den Fernseher aus dem sonst nur Telenovelas dudeln. Gerade werden die Punkte verlesen. Es ist so ähnlich wie beim Eurovision Song Contest. Verschiedenste Preisrichter verlesen ihre Bewertung. Es ist aktuell nur ein Zwischenstand. GrandRio ist unter den Top 6. Mangueira is abgeschlagen. Aber Salgueiro führt … mit 0,1 Punkten … vor Unidos da Tijuca. Das wird knapp!

Der Konkurrent: Unidos da Tijuca
Teamfarbe: blau-gelb
Champion: 3 Mal

Wie war’s? Ich hab’s ja leider nicht gesehen, da ich konditionell und aus Sicht meiner Reisekasse keine zweite Nacht im Sambódromo überlebt hätte. Meine neuen deutschen Freunde Irene und Philip waren da (unverschämterweise übrigens für gerade mal 80 €, weil sie die Tickets kurzentschlossen erst an der Abendkasse gekauft haben). Ebenfalls da ist Beate: die Vollblut-Bayerin und Profi-Amateur-Fotografin, die sich durch den Sambathon fotografiert hat. Unidos da Tijuca tanzt eine Hommage an den bedeutendsten brasilianischen Rennfahrer Ayrton Senna. Hier sind Beates verdammt schöne, schnelle Fotos…

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wieder am Aschermittwoch, inzwischen im Taxi zum Flughafen,
Es kommen noch drei Bewertungen. Statt so etwas wie Abschiedstimmung zu spüren, bin ich genau wie der Taxifahrer voll konzentriert auf das Autoradio. Stimme im Radio: Salgueiro …10 … Unidos da Tijuca … 10
Unidos da Tijuca ist inzwischen einen Zehntelpunkt in Führung. Wir ziehen gerade am Sambódromo vorbei. Hier findet in diesem Moment life die Bekanntgabe der Punkte statt.
Stimme im Radio: Salgueiro …10 … Unidos da Tijuca …
(Bitte, bitte ‚9,9‘ oder besser noch ‚9,8‘)
… 10
(Mist! Jetzt kommt die letzte Wertung)
Stimme im Radio: Salgueiro …10 … Unidos da Tijuca … 10

Und damit gewinnt Unidos da Tijuca den Karneval in Rio 2014 mit 299,4 Punkten und einem Zehntelpunkt Vorsprung vor Salgueiro. Der Taxifahrer freut sich. Der Chef der Samba-Band von Unidos ist nämlich auch Taxifahrer.
Und ich? Vielleicht hab ich gerade einen guten Grund gewonnen noch mal zum Karneval nach Rio zu fahren. Und vielleicht können mich Washington oder Davidschi beim nächsten Mal mittanzen lassen. Vielleicht. Aber egal ob Karneval oder nicht. In eine Stadt, in der die Freude Urlaub macht, muss man irgendwann zurückkommen.

Um bejo e até logo

Gregório

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Das Beste am Reisen sind all die unerwarteten Begegnungen. Seit meinem Sabbatical in Südamerika reise ich daher mit neuer Mission durchs Leben: "Catching Smiles around the Globe." Wenn Du kein Lächeln mehr verpassen willst, folgst du mir am Besten auf  Facebook oder auf Instagram. ¡Hasta luego amigo!

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