Seit Anfang Februar ziehe ich durch Deutschland auf der Suche nach Fremden, die für mich lächeln. Die Ergebnisse findest du unter dem Hashtag #100fremdelächeln auf Facebook und Instagram. Die Geschichte, wie es dazu kam, liest du hier.
Anfang des Jahres, in einem Fischrestaurant auf Key Largo, Florida, USA,
Ich begleite in Florida eine deutsche Filmcrew, die an einer Reportage für den Fernsehsender ARTE arbeitet. Wir sind schon bei Sonnenaufgang aufgestanden, um mit unserem amerikanischen Hauptprotagonisten Nick eine Szene in einer Tauchschule auf den Florida Keys zu drehen. Da beim Dreh einer Dokumentation alles ungefähr 7mal so lange dauert wie in Realzeit, ist es bereits nachmittags, als wir endlich zu unserer wohl verdienten Mittagspause kommen. Dennoch! Zeit für ein Erinnerungs-Foto muss sein. :-I :-I 🙂 :-I 🙂 … Hmm? Was ist es nur mit uns Deutschen? Warum fällt es uns so schwer, auf Fotos schön stabil zu lächeln?
Catching Smiles in Germany
Ich hatte mir bereits Ende letzten Jahres lose vorgenommen, die Mission meines Reiseblogs “Catching Smiles around the Globe” auch in Deutschland fortzuführen. Da ich seit Anfang Januar nicht mehr in meiner langjährigen Festanstellung war, sollte ich ja jetzt theoretisch auch Zeit dafür haben. Der Amerikaner Brandon Stanton von Humans of New York hatte ganz ähnlich begonnen. 2010 schnappte er sich eine Kamera und begann ohne Foto-Erfahrung mit dem Fotografieren von Dingen, die ihn faszinierten. Er begann mit Fotos von Architektur und landete ziemlich schnell bei Porträt-Aufnahmen von Menschen. Als er seinen Job an der Börse verlor, zog er nach New York City und beschloss, mit all seiner Energie Vollzeit-Fotograf zu werden. 6 Jahre später betreibt er eine Facebook-Seite, der weltweit über 16 Millionen Menschen folgen. Seine Foto-Bücher sind auf den vordersten Plätzen der New York Times Bestsellerliste und von den “Humans of Adelaide” bis zu den “Humans of Zagreb” inspirierte er tausende weitere Menschen, etwas Ähnliches auszuprobieren. Ich war einer dieser Inspirierten. Auch ohne nennenswerte Fotoskills. Doch damit aus einer fixen Idee eine Geschichte wird, brauchte ich noch einen kleinen Anstupser. Von einer Frau, die schön fotografiert und gern unterwegs ist.
Wie kam es zum Projekt #100fremdelächeln?
Ende letzten Jahres, Mokkabar, Berlin Kreuzberg,
Kevin von Junge Gründer war zu Besuch in Berlin und hatte zum Bloggertreff geladen. Da sowohl Weihnachts- als auch Grippesaison begonnen haben, ist die Besucherzahl heute überschaubar. Fotobloggerin Synke von Synke Unterwegs ist da. Sie hat Tanja von Reiseaufnahmen im Schlepptau. Die ist extra aus Karlsruhe angereist. An diesem Wochenende gibt es noch weitere Networking-Treffen in der Hauptstadt. Synke und ich bewundern Tanja für die Frequenz, in der sie trotz Vollzeitjob und Hausbau neue Blog-Artikel veröffentlicht. Ich selbst hatte fast ein Jahr eine Vier-Tage-Woche und konnte nicht auf eine solch stattliche Frequenz zurückblicken. Vor kurzem hatte ich mich entschieden, meinen festen Job zu beenden, um es mit all meiner Kraft auszuprobieren, als freier Reiseautor Geld zu verdienen. Doch je näher mein letzter fester Arbeitstag rückte, um so häufiger stellte ich den nun unveränderbaren Entschluss wieder in Frage. Außer Synke, Tanja und Kevin gab es an diesem Abend auch noch eine Frau, die ganz begeistert über die Vermarktung von Katzen-Content sprach. Aber das wird für die Geschichte keine Bedeutung haben. Das, was Foto-Bloggerin Synke mir als Nächstes sagt, hingegen schon. „Du schreibst schön, aber du musst unbedingt bessere Fotos machen.“ Autsch! Genau das wollte meine empfindliche Künstlerseele jetzt nicht hören. Aber was hilft’s. Da ich ja eher mehr als weniger reisebloggen will – und Fotos nun mal dazu gehören – muss ich wohl was tun.
Eine Woche später, im Coworking-Café betahaus, Berlin Kreuzberg,
Wir blättern durch meine Fotos von lächelnden Reisefreunden aus Mexiko. „Das Gesicht gehört nicht in die Mitte, sonst sieht das Bild langweilig aus! … Hier sieht es so aus, als ob ihm die Pflanze aus dem Kopf wächst! … Du musst in die Knie gehen, sonst schauen die Leute immer nach oben! Auf Augenhöhe!“ Zumindest eine Sache lobt sie an meinen Fotos von Fremden: „Man sieht, dass es dir gelingt, einen Kontakt mit den Leuten zu bekommen. Das ist oft das Schwierigste. Der Rest ist Übung.“ Angespornt vom Feedback bearbeite ich noch mal fast alle Fotos meiner lächelnden Reisefreunde, so gut es halt geht. Und ich nehme mir vor, bei der nächsten Lächelreise nach Florida gleich besser zu knipsen.
Vor zwei Wochen, wieder im betahaus,
Ich bin frisch zurück aus Florida. Wieder hatte ich einige Fremde davon überzeugt, für mich zu lächeln. Synke ist mit meinem Foto-Fortschritt zufrieden. „In Deuschland wäre das schwieriger. Hier sind die Leute reservierter.“ Synke selbst hatte sich 2014 einer Foto-Challenge gestellt. Ihr Ziel war es, 100 Fremde zu fotografien. Mit wunderschönen Porträtaufnahmen und faszinierenden Einblicken ist sie in Myanmar gestartet. Zurück im deutschen Alltag fühlte es sich für sie zu ungewohnt an, einen Fremden um sein Lächeln zu bitten. Ich überlege einen Moment. Vielleicht ist es ja die Nach-Reise-Euphorie, aber so schwer stelle ich mir das auch hier nicht vor. Schließlich lächeln wir hier in Deutschland schon auch ganz gern. “Challenge accepted!” sage ich (glaube ich). Dann schlagen wir ein. Meine Hausaufgabe für 2016 ist es nun also, 100 fremde Lächeln in Deutschland im Foto einzufangen und sie anschließend mit einer kleiner Notiz auf meiner Facebook-Seite wieder frei zu lassen. …
Ich schaue mich im betahaus um. Der Typ, der links von mir sitzt und so emsig zeichnet, scheint ein schönes Lächeln zu haben. “Hallo, ich bin Gregor… ” …
Deine Fragen und meine Antworten zu Projekt #100fremdelächeln
Da ich tragischerweise nicht berühmt bin, gibt es noch keine großen Medienhäuser, die mich zu meinem Projekt interviewen wollen. Daher werde ich jetzt einfach Deine Fragen beantworten. Genau! Deine, lieber aufmerksamer Leser. Da Du immer noch nicht weggeklickt hast, scheint dich dieses kleine Projekt ja tatsächlich zu interessieren. 🙂
Was passiert, wenn du es nicht schaffst? Gibt es einen Wetteinsatz?
Gibt es. Ich springe mit Klamotten ins nächstgelegene Gewässer. Yupp. Das war die Idee meiner Fotolehrerin Synke. Fairerweise hat sie sich dann auch noch eine Challenge auferlegt. Sie will jetzt, Tanjas Vorbild folgend, jede Woche einen Blog-Artikel mit mindestens 300 Wörtern schreiben. Drei mal darf sie passen. Hier erzählt sie die Geschichte aus ihrer Perspektive (in regelkonformen 406 Wörtern). Wenn sie’s nicht packt, geht sie auch baden.
Wie sprichst du die Leute an?
Tatsächlich gehe ich hier anders vor als Meister Brandon von Humans of New York. Auf YouTube erklärt er, wie er sich Fremden auf der Straße von vorn nähert und sie mit all seiner gebündelten positiven Energie um ein Foto bittet. Danach beginnt er das Interview. Ich lasse die Fremden eher mich finden. Wenn ich im Gespräch merke, dass der Fremde etwas erzählt, was ich spannend finde, oder die Situation irgendwie ungewöhnlich ist und wenn mir das Lächeln gefällt, frage ich, ob ich ein Foto machen darf. Genau wie Brandon habe ich auch festgestellt, dass es recht egal ist, was ich sage, so lange ich dabei mein sicheres, fröhliches Lächeln behalte.
Versuchst du jetzt ‚Humans of Berlin‘ zu machen?
Nich direkt. Erstens gibt es das natürlich schon. Zweitens gibt es da ein paar Stellen, an denen sich mein Projekt unterscheidet:
– Meine Fotos sind (noch) nicht so gut. (Ok. Das ändert sich vielleicht noch mit dem kritischen Feedback von Fotolehrerin Synke. Außerdem liebäugele ich mit dem Online-Fotokurs meiner Berliner Blogger-Nachbarn Jenny&Basti von 22places. Die haben eine eigene Lektion nur zur Porträt-Fotografie. Sogar mit Video.)
– Ich verwende nur kurze Zitate und schreibe einen eigenen Kommentar. Wobei ich mir hier noch unschlüssig bin, ob es nicht doch schöner wäre, den Fremden komplett selbst sprechen zu lassen, statt über ihn zu erzählen.
– Da alle Leute lächeln sollen, werde ich die dunklen Geschichten aus dem Vorleben meiner Gespächspartner hier wohl eher nicht erzählen (können).
– Und ich will natürlich auf diesem Blog weiterhin Reisegeschichten erzählen und neuen und alten Freunden überall auf der Welt begegnen.
Welche Kamera benutzt du?
Seit Florida habe ich den Sprung vom Smartphone-Schnappschießer zum Hobbyfotografen (mit richtigem Fotoapparat) gewagt. Bessere Fotos, mal wieder zoomen … das hatte mir in Florida so viel Spaß gemacht, dass ich nun nicht mehr zurück will. Dummerweise ist meine Canon 7GX Kompaktkamera nur ein Leihgerät von meiner lieben Freundin und Nachbarin Lotta, die sie sich extra für ihre Arbeit als Journalistin gekauft hatte. So langsam muss ich sie ihr wirklich mal zurückgeben und mir selbst eine kaufen. Blogger-Kollege Florian Blümm schwärmt von der Canon 7GX, berichtet aber in seinem ausführlichen Testbericht, dass sie für Porträt-Aufnahmen nicht ideal ist. Als Möchtegern-Brandon müsste ich wahrscheinlich zumindest in der Lage sein, diesen schicken Unschärfe-Effekt im Hintergrund zu erzeugen. Die Sony Alpha 5000 Systemkamera, mit der Reisebloggerin Steffi wunderschöne Porträtaufnahmen in Indien gemacht hat, könnte eine Alternative sein. Wenn sie nur beim Auslösen nicht so klicken würde. Hach … schwieriges Thema. Auf keinen Fall will ich die Leute mit so einem Spiegelreflex-Monster verschrecken.
Und wer hat bisher schon für dich gelächelt?
10 Fremde habe ich bisher hier in Deutschland fotografiert. Einige waren erst etwas skeptisch, aber schließlich konnte ich sie überzeugen.
Für mich ist die eigentliche Herausforderung dieser Smile-Challenge wahrscheinlich gar nicht so sehr das Ansprechen fremder Leute. Darauf habe ich zwar nicht immer Lust, aber wenn ich darauf Lust habe, macht es mir richtig viel Spaß und ich kann es dann, glaube ich, auch ganz gut. Die eigentliche Herausforderung ist es, Geschichten zu finden, die auch für Dich spannend sind. Obwohl … Eigentlich reicht es mir schon, wenn ich auch Dir beim Lesen ein Lächeln entlocke.
Hast Du weitere Fragen und Anregungen zu meinem Projekt #100fremdelächeln. Vielleicht hast Du ja schon mal ein ganz ähnliches Projekt gestartet und hast dabei interessante Erfahrungen gemacht? Oder du hast beim Ansprechen eines „Fremden“ etwas ganz Besonderes erlebt. Ich freue mich über Kommentare hier oder auf meiner Facebook-Seite.
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Ich wünsche dir noch einen Smiley Sunday
Dein Gregório Jones
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