Wenn du nur eine Woche hast, einen Kontinent zu sehen, den du noch nie zuvor betreten hast, bräuchtest du wohl den perfekten Reiseplan. Der Vorteil: Du würdest dich schon lange vorher auf die Highlights freuen können. Der Nachteil: Für die besonderen, unerwarteten Dinge am Wegesrand, würdest du wahrscheinlich nicht genug Zeit haben.
Teil 2: So lächelt Sydney
Hintergrund: Qatar Airways hatte uns eingeladen, mit ihnen ihre neue Flugroute nach Sydney zu feiern. Teil der Einladung waren Flug, Spesen und als Sahnehäubchen: ein Gala-Dinner auf dem Kylie Minogue auftreten wird.
Doch bevor ich zum Höhepunkt dieser kleinen Reisegeschichte komme, möchte ich dir von einer Stadt am Strand erzählen. Einer Stadt, in der wir zwei Tage verbringen werden. Zwei gut geplante Tage. Denn die Tourismus-Verantwortlichen für den australischen Bundesstaat New South Wales hatten den Plan höchstselbst gemacht. Er ist in gewisser Weise also der perfekte Plan für Touristen, die zwei Tage in Sydney haben.
So lächelt Bondi Beach
Mittagessen am Bondi Beach, Sydney,
Klick Klick Klick … Wir essen Fisch mit Blick auf Bondi (sprich: Bondai, wie Bonsai) Beach. Heutzutage fotografiert ja fast jeder sein Essen. Für sich, für Freunde, aber vor allem für den Ruhm auf Facebook und Instagram. Man stelle sich nun also eine Gruppe von internationalen Reisegeschichten-Erzählern vor, mit der Chance einmal die Speisekarte rauf und runter zu bestellen und alles abzufotografieren. Ein wahrer Augenschmaus für Bloggerin Leyla. Neben ihrem erfolgreichen Instagram-Account betreibt sie das Reiseblog “The Cutlery Chronicles” (Zu deutsch: die Besteck-Chroniken). Sie hat etwas gefunden, bei dem sie ihre Liebe für gutes Essen und für Fotografie ausleben kann. Ihr Geld verdient sie allerdings aktuell trotz 87.000 Instagram-Followern eher als Freiberuflerin im Online-Marketing.
Wir spazieren entlang der Küste zwischen Bondi und Bronte Beach. Am Strand tummeln sich die mit höchstem Sonnenschutzfaktor geschützten Badegäste (Viele der heutigen Australier stammen von unseren eher bleichen britischen Nachbarn ab. Sonnenstrahlung ist hier auf Grund der beschädigten Ozonschicht um einiges gefährlicher. Zwei von drei Australiern erkranken mindestens einmal im Leben an Hautkrebs). Ein paar Surfer werfen sich in die aufbrausenden Wellen. Zu weit weg, um ein Foto von ihrem Lächeln einzufangen. Camille, meine französische Reiseblogger-Kollegin lässt sich auf den Klippen fotografieren. Da sie jedes Motiv noch ein bisschen schöner macht, helfen wir ihr gerne bei den Fotos. Ihr Blog-Erfolg begann auf einer 15 monatigen Weltreise. Dort war praktischerweise immer ihr Freund dabei, der sie fotografieren konnte. Reich wird sie mit den Einnahmen aus bezahlten Blog-Artikeln und Produkttests nicht. Zum Leben mit ihrem Freund in der gemeinsamen Wohnung in Nizza reicht es trotzdem.
Um die perfekte Geschichte für meinen Blog zu erzählen brauche ich keine köstlichen Speisen und muss auch selbst nicht vor der Landschaft posieren. Ich brauche lächelnde Leute mit interessanten Geschichten. Tatsächlich ist es aber gar nicht so einfach Leute kennenzulernen, wenn man Teil einer organisierten Reisegruppe ist. Der Reiseplan als natürlicher Feind der spontanen Begegnung?
Unser Reiseplan hat ein Gesicht mit einem herzlichen Lächeln. Claire stammt aus Sydney. Sie hat – wie jeder gute Aussie – die Welt bereist. Dabei hat sie in Irland ihren Mann kennengelernt. Inzwischen haben die beiden zwei Kinder und leben ein Stück nördlich von Sydney im eigenen Haus. So ganz klassisch ist ihr Lebensplan trotzdem nicht. Um mehr Zeit für die Kinder zu haben, arbeitet sie nun freiberuflich als Touristenführerin und als PR-Beraterin für einen australischen Boxer. Sie mag mich und gibt mir, sofern es der Plan zulässt, etwas Zeit für die Lächeln am Wegesrand.
So verpasse ich zwar die Erklärung, warum die Australier so verrückt sind, einen Pool direkt neben dem Meer zu bauen. Ich würde aber ein sanftes Lächeln bemerken.
Lisa (Lisa ist ihr englischer Name) hat ihren australischen Ehemann vor zwei Jahren durch gemeinsame Freunde in ihrer Heimat Korea kennengelernt. Sie hatten dort auch traditionell koreanisch geheiratet. Letzten November sind sie gemeinsam nach Sydney gezogen. Er arbeitet als Anwalt und gerade hat er einen sehr guten Job in seiner Heimatstadt Melbourne gefunden.
So lächelt Manly Beach
Am nächsten Tag am Hafen von Sydney,
Wir haben ein paar Minuten zur freien Verfügung, bevor uns die Fähre nach Manly bringt.
“Du bist wirklich ein Ureinwohner?”, frage ich Brock, ohne nachzudenken. “Ja, warum denkst du, dass ich keiner bin?”, antwortet er irritiert. “Ich weiß nicht, vielleicht weil ich noch nie einen gesehen habe.” stottere ich verlegen und leite zügig auf klügere Fragen um. Er ist ein Koomurri. Sein Musik-Instrument bezeichnet er nicht als Digeridoo sondern als Yadeki. Sein Stammesname ist Umbara, was “schwarze Ente” bedeutet. Nur bei der Schreibweise ist er sich nicht so sicher ist. Seine Sprache wird mündlich überliefert.
Von der Fähre aus bestaunen wir Sydneys ikonisches Opernhaus. Ein Muss auf jedem Reiseplan. Mehrere Jahre und mehrere Millionen Bauverzug hatte es auf dem Buckel, als es in den 70ern eingeweiht wurde. (Für unseren Berliner Flughafen besteht also noch Hoffnung.) Inzwischen ist es der Ort, den man einfach nicht müde wird zu fotografieren.
Meine Sitznachbarin auf der Fähre ist auch Deutsche. Jenny stammt aus Ulm. Statt „Work&Travel“ gab es für sie in Australien eher Work. Schon allein, weil das Bier in Sydney unglaubliche 9 australische Dollar (umgerechnet 6 Euro) kostet. 5 Jahre arbeitete sie hier als Hochzeitsfotografin, bevor sie schließlich beschloss nach Deutschland zurückzukehren. Heute ist sie hier als einfache, lächelnde Urlauberin.
Unsere lächelnde Reiseplanerin Claire hat heute Strand-Aktivitäten für uns eingeplant. Sie wuchs direkt um die Ecke vom Manly Beach auf und bezeichnet sich selbst als “Manly girl”. (Die Eroberer fanden die Ureinwohner an diesem Strand damals besonders männlich. Daher der Name.) Oft ist sie nicht mehr an den Stränden von Sydney, aber jedesmal wenn sie doch herkommt, kehrt dieses magische Kindheitsgefühl zurück.
Unser Stand-Up-Paddle-Trainer Ally arbeitet auch noch als Barmann und als Fotograf. “Ich bin gern ‘busy’ … und ich mag es, draußen zu sein. Ich habe irisches Blut, aber braun werde ich trotzdem.”
Mein Stand-Up-Paddle-Fazit: Je größer man ist, um so herausfordernder ist es, auf dem Surfbrett Balance zu halten. Die anderen würden nicht ins Wasser fallen. Ich drei Mal.
Mittagspause. Ohne den Speiseplan genau zu studieren, bestelle ich leichtfertig einen Burger. Ich beiße vorfreudig hinein. Das Lächeln vergeht mir, als ich plötzlich die große Scheibe rote Bete schmecke. Rote Bete im Burger? Australien? Warum?
Der Nachmittag endet mit einer Schnorcheltour. Ökologisch nachhaltig mit glücklichen, lächelnden Fischen. Mein Schnorchel-Fazit: Nach meinen Schnorchel-Erlebnissen auf Galapagos bin ich ein kleiner Schnorchel-Snob und Schnorcheln vor Manly Beach ist schon ganz nett, aber vermutlich nicht mit dem australischen Great Barrier Reef vergleichbar.
Unser australischer Reiseplan hatte einen anderen Höhepunkt. Den perfekten Moment mit Kylie Minogue. Wenn ich doch bloß …
Der perfekte Moment mit Kylie Minogue
Beim Gala-Dinner von Qatar Airways in Sydney,
Verunsicherte Gespräche im Party-Zelt. Soll das etwa schon das versprochene Pfirsich-Dessert sein? Während andere bereits fotografieren, schauen Leyla und ich skeptisch auf die Teller. Gerüchten zu Folge soll der Sternekoch in der Küche gestresst fluchen. Ich stochere in den dekorativen Blüten auf meinem Teller herum. Großküche und exquisite Speisen passen eben doch nicht so recht zusammen. Ah, da kommt ja noch was. In selben Moment ergreift die Moderatorin das Mikro. Sie muss nicht viel sagen. “Ladys and Gentleman. Australias very own superstar Kylie Minogue.”
Keiner interessiert sich jetzt mehr für das Pfirsich-Dessert. Alle stürmen nach vorn. Zumindest die, die es sich leisten können, ihren Anstand und gängige Benimmregeln über Bord zu werfen. Natürlich bin ich dabei. Es geht um alles. Darum diesen perfekten Moment unvergesslich zu machen und ihn in unvergängliche Likes umzuwandeln. Die Security ist besorgt, dass die Bedienungen nicht mehr mit dem Pfirsich-Dessert durchkommen. Zu allem Überfluss verdecken wir auch die Sicht für die echten Promis. “Setzen sie sich auf ihre Plätze!” Grummelig tapsen wir außerhalb der Selfie-Reichweite. Resigniert snapchatte ich die Leinwand neben der Bühne.
Sieben ihrer größten Hits wird Kylie spielen. Darunter Klassiker wie “All the lovers” und “Can’t get you out of my head”. Man munkelt, dass sie mit diesem einen Auftritt eine Million australische Dollar verdient. Ob du Kylies Musik nun magst oder nicht. Es ist schwer, Kylie nicht zu mögen. Sie hat den Krebs besiegt. Sie war, anders als Madonna, nie eine “Bitch”. Selbst den schönen 28-jährigen Verlobten und den pompösen Verlobungsring, gönnt man der (tatsächlich kleinen) 47-Jährigen. Kylie ist wie ein wandelndes Lächeln. Und es macht einfach keinen Sinn, ein Lächeln abzulehnen. “Everybody come up and dance!”, ruft sie uns zu. Da wird auch die Security weich und wir stürmen – die Smartphones schnappschussbereit – zur Bühne.
Jetzt gibt es nur noch ein Problem zu lösen. Die fotoverrückte Masse verdeckt die Sichtachse der Herrschaften am besten Tisch des Zeltes. Darunter so bedeutende Personen, wie die Chefin des Flughafens von Sydney und der Chef von Qatar Airways, der schließlich den ganzen Abend bezahlt hat. Kylie weiß, was zu tun ist. Zu den Klängen von “All the lovers” steigt sie von der Bühne und glitzert sich durch ihr Publikum. So kommt schließlich jeder zu seinem kleinen Funken Ruhm.
“Kannst du auch ein Foto von mir machen?” frage ich Leyla ganz aufgeregt. “Of Course, Greg. Smile!”
Was soll ich sagen? Dein Plan mag so perfekt sein, wie er will. Ein ehrliches Lächeln im genau richtigen Moment, wirst du wohl nicht einplanen können. So was passiert immer nur einfach so. Zum Glück.
Smiley End
* Wie würdest du planen, wenn du nur eine Woche hättest, um Australien zu sehen? Würdest du möglichst viele Highlights sehen wollen? Oder dich einfach treiben lassen? Ich freue mich über deine Kommentare hier oder auf meiner Facebookseite. Über Likes, Shares, Snapchat-Follower und Abonennten meines schicken kostenlosen Newsletters (da erfährst du als Erster, wie die Reisegeschichte weitergeht) freue ich mich auch … sehr. 🙂
Dein Gregório Jones
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