LOST … in den Anden

Reiseführer Philipp
20131101-134404.jpg

Die Hauptdarsteller dieser Folge: der deutsche Philpp, die Kolumbianerin Christina und der Kanadier David

Über Lost: Wie der aufmerksame Leser vielleicht schon bemerkt hat, bin ich und mein Schreibstil geprägt von US-amerikanischen TV-Serien. Und die beste Serie des letzten Jahrzehnts ist nun mal „LOST“. Nächtelang habe ich mit meinem lieben Kumpel Paule aus Leipzig eine Folge nach der anderen geschaut. Man konnte einfach nicht aufhören. Und als wir dann auf dem neuesten Stand waren und immer eine Woche auf die neueste Folge warten mussten, wurde daraus ein rituelles Event. Da Paul inzwischen auch in Berlin wohnte, mussten weitere Mitglieder der Leipziger-Lost-Liga nach der Folge per Telefon zur gemeinsamen Analyse zugeschaltet werden. Und das große Serien-Finale wurde natürlich gemeinsam mit Susi, Mandy, Antje, Arne und dem anderen Gregor in Leipzig geschaut.
Für alle die Lost nicht kennen, nur ganz kurz: Ein Flugzeug bruchlandet auf einer einsamen Insel, die gar nicht so einsam ist, und in den folgenden sechs Staffeln kann man die Gestrandeten beim Versuch die Insel wieder zu verlassen, beobachten. Das Besondere ist, dass in jeder Folge eine andere Person sogenannte Flashbacks (Erinnerungen) an ihr Leben vor der Insel hat. Und da alle Figuren mysteriöse und ungewöhnlich Vorleben geführt haben, entsteht zusätzliche Spannung.
Dieser Blog-Post ist mein Versuch einer Hommage an die Kultserie.

20131101-134522.jpg

Reiseleiter Philipp

Kolumbien, Oktober 2013, 10 Uhr morgens.
Ich bin mit Philipp in der kleinen Stadt Santa Elena, hoch oben in den Anden Kolumbiens. Philipp stammt aus dem selben Kölner Klüngel der RWL-Studenten (Regionalwissenschaften Lateinamerika) aus dem auch sein Geschäftspartner Markus stammt. Gemeinsam mit Markus und einem Kolumbianer betreibt er eine Reiseagentur. Palenque Tours – Sie bieten individuelle Mehrtages-Trips an, auf denen man im Jeep Naturschönheiten, Kulturschönheiten und die Besonderheiten ihrer vegetarischen Küche kennenlernen kann. Für meinen schmalen Backpacker-Geldbeutel ist das leider etwas zu kostenintensiv, weswegen wir stattdessen diese Wanderung machen. Philipps entspannte und zugleich nachdenkliche Art, macht es einfach ihn zu mögen. Wir treffen seinen kanadischen Mitbewohner David und dessen kolumbianische Freundin Christina. David ist ungefähr 50 – ein Lebenskünstler, einer der schon überall in der Welt gelebt hat und sich mit Englisch-Unterricht stets ganz gut über Wasser gehalten hat. Seit fünf Jahren ist er nun in Medellin. Wenn es die Zeit erlaubt, geht er jedes Wochenende Wandern. Dabei hat er inzwischen besondere Fertigkeiten erlangt.

Flashback Gregor – Berlin, Checkpoint Charlie, Juni 2009
Der Himmel über Berlin ist an diesem Abend dunkelrot. Es liegt etwas von Aufbruch in der Luft. Ich bin mit Bertram bei einem der Touri-Fast-Food-Läden. Bertram kenne ich seit ein paar Jahren. Er ist ein Videospezialist und schreibt auch ein sehr erfolgreiches Blog zu dem Thema. Über sein Blog bin ich auf ihn aufmerksam geworden, dann haben wir uns ein paar mal getroffen und inzwischen sind wir befreundet. Ob ich mir vorstellen könnte seinen Job zu machen, hat er mich gerade gefragt. Es geht darum ein Videosystem bei Axel Springer einzuführen. „Im Prinzip ist alles schon vorbereitet“, sagt er beruhigend. „Ich glaub schon“, sage ich, völlig unsicher ob ich wirklich seine Rolle ausfüllen kann. Aber mit einer gewissen Neugier.

Kolumbien,
Die Luft in den Anden ist im Gegensatz zu den stickigen Städten klar und etwas kühler. Wenn man sich die Natur so anschaut, glaubt man im ersten Moment durch einen deutschen Mischwald zu spazieren. Dann schaut man genauer hin, und plötzlich entdeckt man Dinge, die besonders sind. Riesige Schmetterlinge zum Beispiel. Oder Baumfarne – eine der ältesten Pflanzenarten der Erde. In einem kleinen Bach entdeckt David einen Baum mit dem Nest eines Kolibris. Es ist perfekt mit Moos getarnt. Wenn man ganz genau hinschaut, kann man im Nest die Kolibri-Eier erkennen. Das besondere an Davids Wanderstil ist, dass wir zwar mit einem groben Ziel, aber komplett ohne klare Route laufen.

20131101-134605.jpg

Flashback Gregor – Berlin, Axel-Springer-Passage, Juli 2009
Ich stehe mit Marc, meinem Teamleiter, an einem der Stehtische vor dem Deli News, einer Art Snackbar, und knabbere an meinem Franz-Brötchen. Seit etwa zwei Wochen bin ich Teil des Teams. Das Vorstellungsgespräch war super gelaufen. So richtig sicher fühle ich mich zwar noch nicht im Managen von Videosystemen, aber das ist gerade nicht meine größte Sorge. Vielmehr ist es der Zynismus im Team, der immer dann am Deutlichsten wird, wenn ich eine Frage stelle, in der die Worte Zukunft oder Visionen vorkommen. Marc nippt bedächtig an seiner Coke Zero. Dann sagt er mir, dass umstrukturiert wird und unsere kleine Tochterfirma in dieser Form eingestellt wird. „Aber keine Sorge, alle Mitarbeiter werden in andere Bereiche übernommen.“

20131101-134642.jpg

Kolumbien,
Platsch!!! David ist so eben tatsächlich in den kalten Gebirgsbach gesprungen. Mir ist schon beim Zuschauen kalt geworden. Philipp ist etwas vorsichtiger. Er krämpelt sich die Hosenbeine hoch und schreitet langsam über die glatten vom eisigen Bach überspülten Steine. Christina und ich bleiben draußen und vertilgen die Vorräte von David: Käsebrötchen, Studentenfutter und Chocolatina Schokolade mit Fruchtgeschmack. Das ist einer der großen Vorteile daran über 30 zu sein. Ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, muss man nicht mehr alles machen, worauf man keine Lust hat. Nur muss man dafür halt schon ein paar Erfahrungen gemacht haben. Und die Antwort ist nicht immer so einfach wie beim Baden in einem kalten Gebirgsbach, wenn man keine Wechselsachen dabei hat.

Flashback Gregor – Berlin, Videoredaktion von Welt.de, Februar 2009
Ich bin todtraurig und am Boden zerstört. Melanie versucht mich aufzubauen. Sie ist die Teamleiterin der Videoredaktion von Welt.de. Da meine weitere Karriere im Konzern immer noch ungeklärt ist, hatte ich mir die Erlaubnis eingeholt, bei der Welt den Einsatz unseres Videosystems vor Ort zu betreuen. Da das aktuell aber kein Vollzeitjob ist, wollte ich mich nebenbei als Journalist probieren. Genauer gesagt als Videojournalist – so ein Supertalent, das die Fernsehbeiträge nicht nur schreibt, sondern auch filmt, schneidet und vertont. Ich hatte mich in den höchsten Tönen verkauft. Und nun das. Alles überfordert mich. Das Schneiden des Galpagos-Videos einer Reiseredakteurin, das Drehen einer Umfrage über die alkoholisierte Pastorin Margot Käßmann oder der große Videospieletest mit Paul (der Paul aus der Einleitung). Ich merke, dass ich noch viel mehr lernen und üben müsste. Im Moment habe ich dafür aber gerade keine Zeit.

20131101-134124.jpg

Kolumbien,
Autsch! Ein großer Farn peitscht mir ins Gesicht. Vor mir bahnen sich Philipp und David den Weg durch das Dickicht. Hier ist vor uns definitiv noch niemand lang gelaufen. Eine Machete wäre jetzt praktisch. Ich stelle mich gedanklich darauf ein, dass wir gleich wieder umkehren und bis zur Weggabelung vor 10 Minuten zurücklaufen müssen. Plötzlich wird es heller. Wir stehen vor einem Abhang. Ungefähr zwei Meter unter uns ist ein breiter Weg. Wir beraten uns und stehen noch oben, als eine Motorradgang vorbeiprescht. Ich bin mir nicht sicher, ob sie uns vielleicht auslachen. Schließlich wagen wir den Absprung. Zuerst David, der Wanderexperte, dann Philipp, dann ich, und schließlich Christina. Jeder hilft dem anderen. Geschafft! David erinnert sich, dass am Ende dieses Weges eine Art Aussichtsturm steht. Er erinnert sich nur an Meilensteine. An die Wege dazwischen weniger. Als wir uns dem Turm nähern, sehen wir von weiten, dass die Motorradgang den Platz bereits eingenommen hat. Wir müssen uns also ein anderes Fleckchen für unsere nächste Rast suchen.

20131101-134324.jpg

Flashback Gregor, Berlin, Rudi-Dutschke-Straße, Juli 2010,
Seit heute ist es offiziell. Ich bin jetzt Plattformmanager für Video bei Bild.de. Marek hat mir zur Feier des Tages ein Himbi-Eis ausgegeben. Wir spazieren durch den heißen Juli-Tag. Marek ist mein neuer Teamleiter. Ein kluger Kopf mit witziger Vergangenheit. Wir verstehen uns. Sehr diplomatisch formuliert er, dass mein bisheriges Videosystem bei Bild.de wohl nicht zum Einsatz kommen wird. „Dafür haben wir jetzt die Möglichkeit ein Videosystem nach unseren Vorstellungen zu gestalten.“

Kolumbien,
Wir sind am Höhepunkt unserer Wanderung angekommen. Nachdem wir eine Weile vor einem Garten mit riesigen Kohlköpfen und duftenden Eukalyptus-Stauden Rast gemacht haben, sitzen wir nun auf der begehrten obersten Aussichtsplattform. Die Motorradgang war freundlicherweise direkt abgestiegen, als wir am Turm angekommen waren. Der Turm, ist eigentlich für Feuerwehrleute gedacht, um mögliche Brände zu erspähen, und eigentlich ist der Aufstieg auch verboten. Nun ist das mit den Regeln in Kolumbien so eine Sache. Wenn sie aus Sicht der Bevölkerung keinen Sinn machen, werden Sie gern mal ignoriert. Selbst rote Ampeln werden hier nachts meistens überfahren. Und so hat auch das Verbotsschild an unserem Turm den zusätzlichen Vermerk: Bitte Unfälle vermeiden!
„That’s the moments I live for“ „Das sind die Momente für die ich lebe“, meint David. Unter uns spielt die Motorradgang angenehm entspannte Blues-Musik. Es riecht nach Gras. Christina macht Yoga-Übungen auf der Aussichtsplattform. Unser Blick verliert sich in der Ferne. Da fragt Philip David ob er hier in Medellin bleiben wird. „Yes“ „Ja“, sagt er, ohne lange zu überlegen. Er hat seine Gründe: Die Landschaft, das Klima, dieses Leben im Moment…

20131101-134656.jpg

20131101-134001.jpg

Philipp mit Geschäftspartner Markus

Fantasy-Flashback* von Philipp, vor ungefähr einem Jahr, irgendwo in Bogotá, Kolumbien,
Ich mag Kolumbien. Seit ein paar Monaten wohne ich mit meiner Freundin hier in Bogotá. Es war Glück, dass wir beide direkt einen Job hier gefunden haben, auch wenn er nur befristet war. Ihr gefällt es hier auch, doch sie wird wieder zurück nach Deutschland gehen um fertig zu studieren. Ich bin seit diesem Jahr mit dem Studium fertig. Regionalwissenschaftler für Lateinamerika mit Diplom. Und jetzt muss ich mich entscheiden. Markus, ebenfalls Regionalwissenschaftler, hat mir angeboten, dass ich in seiner Reiseagentur in Medellin mitarbeiten könnte. Als Partner. Touren an Orte, wo der normale Pauschaltourist nicht hinkommt. Sozialverträglicher Tourismus. Vielleicht sogar mit indigenen Völkern. Nebenbei soll ich die Website pflegen. Dafür hat er nicht die Geduld. Hmmm… Eigentlich habe ich der Stiftung in Cartagena schon zugesagt. Und der Job dort würde super in meinen Lebenslauf passen. Ich bewundere den Mut von Markus, aber vielleicht überfordern mich alle seine Ideen. Und wäre es nicht trotzdem immer sein Baby, und ich halt so eine Art Pflegevater? Aber irgendwie bin ich neugierig…

20131101-134548.jpg

Kolumbien,
Es ist fast schon dunkel, als wir zurückkommen. Die Kumulus-Wolken über uns schaffen eine mystische Stimmung. Diese Wanderung hat mich fasziniert. Orientierung ist eine meiner großen Schwächen. In der Regel muss ich alle fünf Minuten auf meinem Smartphone kontrollieren, ob ich wirklich richtig laufe. Dass man loswandert um sich dabei absichtlich zu verlaufen, beeindruckt mich. Und definitiv ist es verdammt aufregend auf unbetretenen Pfaden durch die Anden zu wandern.

20131101-134502.jpg

20131101-134444.jpg

20131101-133925.jpg

20131101-133909.jpg

*) Fantasy-Flashbacks sind ein von mir erfundenes Stilmittel. Lediglich die Personen existieren. Der Rest ist erfunden.

Next: Schön sein in Südamerika

P.S. Wer immer ganz genau wissen will, wo ich gerade bin, kann mich auch gern beim Travel-Twittern verfolgen. https://www.twitter.com/sabbaticalism

Euer Gregório Jones

Meine verrückte Route durch Südamerika – Teil 3: Cartagena bis Medellin

20131101-150146.jpg

Anfang Oktober 2013,
Cartagena, war magisch. Die koloniale Altstadt mit ihren bunten Häuserfassaden hat mich verzaubert. Ein bisschen erinnerte sie mich an den Platz um die Frauenkirche in Dresden. Auch hier wurde etwas schönes Altes restauriert, so dass es in einem fast unwirklichen neuen Glanz erscheint. Die Regierung hat in den vergangenen Jahren massiv in die Restauration investiert um den Tourismus anzukurbeln. Mit Erfolg. Ich mache so viele Fotos, dass ich mich fast ein bisschen dafür schäme.

Auch der Abend war lustig. Ich treffe Jose Carlos, einen Freund von meinem mindestens genau so lustigen Arbeitskollegen Carlos. Erst geht’s in die Cerveceria, wo wir ein etwas besseres lokales Bier trinken. Später in eine Salsa Bar im historischen Zentrum. Inzwischen verstehe ich sogar ein kleines bisschen Costeño (den Dialekt der Küste). Eigentlich ist es ja wie Spanisch, nur lassen die Sprecher S und R weg, beziehungsweise werden die Buchstaben nur leicht gehaucht. Hätte ich das mal eher gewusst, dann hätte ich mich auch wunderbar mit Liliana unterhalten können. Der Abend endet, wie Abende in Kolumbien gern mal enden. Mit einer Flasche Aguardiente, diesem tückischen Zuckerrohrschnapps.

20131101-150122.jpg

Cartagena bis Medellin
Ich sitze immer noch etwas verkatert neben einer Imbissbude im Busterminal von Cartagena. Im Colectivo vom Hostal hierher, bin ich mal wieder von Schulkindern für meinen Rucksack ausgelacht worden. Ich muss ca. 2 Stunden warten, bis mein Fernbus nach Cartagena losfährt und ich hoffentlich ein bisschen schlafen kann. Ich bin der einzige Essengast und trotzdem interessiert sich die Bedienung mehr für die Telenovela, die über den Bildschirm flackert, als für mich. Ich kann wählen zwischen Reis, fritierten Platanen, etwas Salat plus Fisch oder Reis, fritierten Platanen, etwas Salat plus Fleisch. Da ich gestern erst Fisch hatte, fällt die Wahl nicht schwer. Ich bestelle eine Cola und bin überrascht eine total verzuckerte rote Limo zu bekommen. In der Imbissbude nebenan sitzt ein Typ mit Rastalocken. Er nippt an seinem frisch gepressten Fruchtsaft. Ich bin neidisch.

20131101-150205.jpg

„Das geht so nicht“ sagt der Busfahrer auf spanisch zu dem Typ mit den Rastas. Ich stehe mit Sam&Sarah, die ich zu dem Zeitpunkt noch nicht kenne, vor unserem Reisebus und beobachte eine kuriose Szene. Der Typ mit den Rastas reist mit einem Fahrad. Keinem gewöhnlichen. Es erinnert eher an ein Art Miniatur-Wohnmobil. Auf dem Gepäckträger ist ein Schachbrett, am Sattel hängen Taschen mit Kochutensilien und auf Höhe des Lenkers gibt es eine Smartphone-Halterung mit der Aufschrift „iBed“. Dank den Dolmetscherfertigkeiten von Sam lässt sich die Situation lösen. Unsere Taschen auf die eine Seite, Das Wohn-Fahrad auf die andere Seite.

„Hallo, ich bin River“ der Typ mit den Rastas mustert mich mit seinem Taschenlampen-Stirnband vom Sitz vor mir. Er ist Schotte, obwohl er für mich eher australisch klingt. River (englisch = Fluss) scheint ein möglicher Name in Schottland zu sein. Er sagt, er kenne zwei weitere Rivers und einen Ocean. River hat seine Tour vor ein paar Monaten in Mexico begonnen. Bisher ist er jede Strecke mit dem Fahrrad gefahren. Ob das nicht gefährlich sei, frage ich. Und River gibt zu, dass in Südamerika gewisse Gefahren von anderen Verkehrsteilnehmern ausgehen. Hauptproblem ist, dass das Konzept „Bremsen“ nicht richtig verstanden wird. Möglicherweise ist es auch eine Fehlkonstruktion der Autos hier. Statt zu bremsen wird gehupt. Ich erinnere mich an ein Straßenschild in Cartagena, welches eine durchgestrichene Hupe zeigt. Und ich erinnere mich, wie ich eine Weile da stand um dem rhythmischen Hupkonzert zu lauschen.

Die Strecke zwischen Cartagena und Medellin soll landschaftlich sehr schön sein. Da ich einen Nachtbus nehme, bekomme ich davon nur die Schattenseiten mit. Nicht enden wollende kurvige Bergstraßen. Der Busfahrer hastet und hupt uns durch die Nacht. Mein naiver Wunsch Schlafen zu können, erfüllt sich nicht. River zaubert aus einem Teil seiner Kleidung eine bequem wirkende Decke und scheint tatsächlich schlafen zu können. Ich bin wieder neidisch.

Die Sonne ist dabei aufzugehen. Wir halten an einer Raststätte in den Bergen. Ich taumele benommen durch den Morgen. Eine sympathische kolumbianische Mitreisende schenkt mir einen Kaffee. River bestellt sich Rühreier mit Toast. Ein bisschen fühlt er sich wie ein Betrüger. Die Strecke von Cartagena hierher ist die erste, die er nicht mit seinem Fahrrad gefahren ist. Er ist Programmierer und in Medellin gibt es eine wichtige Konferenz, die er besuchen will. Zumindest die letzen Kilometer, aus den Bergen ins Tal, will er selbst fahren. Und während ich mich wieder von dem Bus durchschütteln lasse, sitzt River auf seinem Wohn-Fahrrad und gleitet durch den kühlen Morgen. Irgendwie bin ich schon wieder neidisch.

… aktuell bin ich übrigens, anders als geplant, immer noch in Kolumbien. Irgendwann muss ich halt mal bei Niko in Buenos Aires sein. Und das liegt fast 5000 Kilometer südlich von hier.

20131101-150049.jpg

20131101-150025.jpg

20131101-145944.jpg

20131101-145956.jpg

20131101-145933.jpg

20131101-150223.jpg

P.S. Wer immer ganz genau wissen will, wo ich gerade bin, kann mich auch gern beim Travel-Twittern verfolgen. https://www.twitter.com/sabbaticalism und wer genau wie ich keine Lust mehr auf Busse hat, kann auch gern mit River mitradeln https://www.twitter.com/macleodan

Next: LOST

Meine Tage im Palmtree Hostel (2/2) – Übers Tauchen

20131027-110300.jpg

„Guten morgen Gregor“ „Guten morgen Made“ Wir treffen uns in der Küche. Ich habe traumhaft geschlafen. Inzwischen bin ich seit etwas über zwei Wochen in Palmtree-Hostel in Medellin und gehöre so ein bisschen zum Team. Nein, zur Familie! Und Mitglieder der Familie haben besondere Privilegien. So hatte ich zuerst eine niegelnagelneue Federkernmatratze bekommen. Später wurde ich dann in ein Drei-Mann-Zimmer umgelegt, in dem ich teilweise allein gewohnt habe. Von Madeluz, die ich inzwischen Made nennen darf, habe ich außerdem ein magisches Armband geschenkt bekommen. Von indigenen Völkern gefertigt, soll es mich vor Gefahren schützen.

Heute werde ich mein Rührei mit Tomaten, Zwiebeln und etwas Speck verfeinern. Inzwischen koche ich fast jeden Tag. Manuel, der zuletzt in Brasilien gearbeitet hat, und seit seiner Rückkehr gelegentlich im Pamtree aushilft, ist Fan meiner Küche. Ich koche Spaghetti, Chili und den berühmten Freitagssalat meiner Eltern. Der Clou bei letzterem, sind die in Balsamico-Essig eingelegten Zwiebeln. Generell werden die Soßen von der südamerikanischen Küche sträflich vernachlässigt, wodurch man hier sehr einfach mit ein paar deutschen Finessen punkten kann.

Unter den Palmen im Hostel-Garten schlürfe ich meinen Kaffee, lese ein paar Mails und schaue was Frieder neues auf 54.77.222.196 kommentiert hat. Seit gestern erscheinen meine Tweets auch auf Travelbook. Bin mal gespannt ob das neue Leser bringt. Wenn heute nachmittag noch Zeit bleibt, will ich wieder etwas schreiben. Vielleicht über Kaffee. Das ist doch so ein wichtiges kolumbianisches Thema und muss irgendwie erzählt werden. Im Hostel ist der Kaffee den ganzen Tag kostenlos. Und neulich habe ich eine kolumbianische Kaffeekette entdeckt die „Oma“ heißt. Der Besitzer ist ein Deutscher. Damit habe ich einen Schmunzler bei den Lesern sicher.

20131027-110342.jpg
Es ist inzwischen fast 10 Uhr. Ich muss mich ranhalten damit Juan Pablo nicht sauer wird. Schließlich steht er seit dem frühen Morgen auf den Beinen und will irgendwann auch Mittagspause machen. Juan Pablo, ist mein Fitnesstrainer. Ein anderer Trainingsgefährte hat ihn neulich als RollsRoyce unter den Trainern in meinem Studio bezeichnet. Hier ist eine Sache, die in Kolumbien viel besser ist als in Deutschland. In Deutschland bekommt man beim Abschluss einer Mitgliedschaft einmalig einen Trainingsplan. Das sind dann immer 10 verschiedene Geräte (weil die Formatvorlage nun mal so ist) und man macht bei jeder 3×12 Wiederholungen. Währenddessen erklärt der Trainer irgendwas Kompliziertes über Muskelaufbau und Ernährung. Und man hat das Gefühl hier etwas ganz Schwieriges zu machen, aber da man zumindest überhaupt was macht, ist man vielleicht besser dran als die, die gar nichts machen. In meinem Fitnessstudio bekomme ich einen riesigen Plan auf dem in drei Farben verschiedene Übungen markiert sind. Heute ist „grün“ dran, also Brust und Arme. „Cuatro a quinze“ Juan Pablo sagt mir genau wie viele Wiederholungen ich mit wieviel Gewicht machen soll. Und wenn ich zwischendurch anfange zu lange über meine Kaffeegeschichte zu grübeln, fragt er streng „Listo?“ „Fertig?“ Inklusive Laufband dauert mein Workout zwei Stunden. 4 Tage die Woche. Das Gute an so einem Sabbatical ist, dass man tatsächlich mal Zeit hat, die Dinge zu machen zu denen man zu Hause so selten kommt.

Ich bin mit meinem Training fertig und lasse mir von Sonia auf dem Dach des Studios einen köstlichen Fruchtsaft mixen. Proteinshakes hat sie leider nicht. Dafür kennt sie die leckersten Fruchtkombinationen. Maracuya zum Beispiel ist besonders lecker mit Tomate de Arbol (gibt’s in Deutschland nicht) und Guave (gibt’s in Deutschland, schmeckt dort aber wie eine andere Frucht). Ich entspanne mich auf meinem Liegestuhl und betrachte die Anden. Noch nie habe ich längere Zeit in einer Stadt mit Bergen gewohnt. Wie verspielt sich die Hochhäuser in den Berghang einfügen.
Herberth kommt vorbei „Hello Mister Gregory“ Herberth ist Physiotherapeut im Studio. Noch eine Sache, die mir hier besser gefällt als in Deutschland (alles akribisch mit Deutschland zu vergleichen ist übrigens auch eine sehr deutsche Reiseeignschaft). Dona Patricia, die sehr viel Joga macht, hatte festgestellt, dass ich einen leichten Watschelgang habe. Meine Füße gehen bei jedem Schritt leicht nach außen. Wie bei einem Balletttänzer. Was lustig aussieht, kann im Alter zu Knieproblemen führen. Nachdem ich von Dona Patricias direkter Art mich auf meinen Gehfehler hinzuweisen, erst genervt war, habe ich jetzt heimlich begonnen daran zu arbeiten. Laufbandtraining mit paralleler Fußstellung und Joggen auf Zehenspitzen. Herberth sagt, dass es alles eine Frage der Wahrnehmung ist. Herberth spricht ein paar Brocken Englisch, weswegen wir uns gut verstehen, obwohl er eigentlich immer das Gleiche erzählt. Er trägt den selben Namen wie mein fast 90-jähriger Opa. Ich scherze mit ihm, dass die Schreibweise seines Namens mit „th“ so alt ist, dass nicht mal Großväter in Deutschland so heißen. Er lacht. Dann gehe ich zurück nach Hause … ins Hostel meine ich. Immer schön einen Fuß parallel zum anderen.

„Möglischkeiten“ Don Miguel spricht Deutsch mit mir. „MögLICHkeiten“ korrigiere ich streng. Das mit dem „ch“ klappt noch nicht so gut. Ich bin sein Deutsch-Lehrer. Profesor Gregório. Kein schlechter Deal, denn ich kann dafür kostenlos im Hostel wohnen. Nachdem wir gestern Grammatik und Aussprache geübt haben, steht heute Konversation auf dem Plan. Ich wiederhole den letzten Satz noch einmal: „Es gibt zwei Möglichkeiten für das Frühstück. Eier mit Toast oder Müsli mit Joghurt“ Don Miguel hat erkannt, dass sich die deutschen Touristen darüber freuen, wenn er mit ihnen auf Deutsch spricht. Da er eine Weile in Hamburg gelebt hat, hat er ein solides Basis-Wissen. Er ist ein mutiger Geschäftsmann. Das Palmtree ist das älteste Hostel Medellins. Alle Skeptiker schüttelten nur mit dem Kopf, als sie hörten, dass er in dieser Stadt ein Hostel eröffnen will. Inzwischen gibt es hier zahlreiche Hostels und fast alle der Gründer sind ehemalige Gäste von Don Miguel. Mir jedenfalls gefällt meine neue Rolle als Deutsch-Lehrer. Es gibt Sachen, die man über die eigene Sprache erst lernt, wenn man sie lehrt.

Die Abende werden von Don Felipe gestaltet. Er ist Professor an einer der hiesigen Unis und hat viele Jahre in Münster gelebt. Seit der Trennung von seiner Frau ist er wieder hier. Er liebt es mit den Touristen über Europa, Kolumbien und die Welt zu philosophieren. „Warum bist du nach Kolumbien gekommen?“ Die meisten Besucher antworten, dass sie von anderen Reisenden gehört haben, dass die Menschen hier so nett sind. Und aus Neugier. Nach ein paar Gläschen Rum kommt dann die Bitte von Felipe bei der Rückkehr etwas Gutes über Kolumbien zu berichten. Ich habe schon seit einer Weile aufgehört Rum zu trinken. Auch die Gespräche mit den anderen Touristen versuche ich kurz zu halten. Da ich mich gerade so schön eingelebt habe, interessiert es mich nicht woher sie kommen und wohin sie als nächstes gehen. Auch will ich nicht daran erinnert werden, dass ich in zwei Wochen hier möglicherweise weniger Attraktionen abgearbeitet habe, als der gut organisierte Zwei-bis-drei-Tages-Tourist.

Übers Tauchen: Wie traumhaft es sich anfühlt Teil eines Fischschwarms zu sein. Ich bin der Clownsfisch Nemo, und neben mir schwimmen schillernde Doktorfische, kleine Krebse und Wasserschildkröten. Korallen sehen aus nächster Nähe so viel farbenfroher aus. Je länger ich verweile, um so mehr verwandeln sich die bunten Kleckse in einen Unterwasserdschungel. Ich habe mich der Strömung angepasst. Selbst Hammerhaie grüßen mich brav. Ich bin so tief getaucht, dass ich zum Teil des Meeres geworden bin. Als sich plötzlich ein Sonnenstrahl von ganz weit oben in meiner Sauerstoff-Anzeige verfängt und ich dann doch schaue wieviel Luft mir noch bleibt.

Medellin, Treffpunkt: Metro-Station San Antonio. Es ist Samstag und ich bin seit über zwei Wochen in Medellin. Heute ist mal wieder Zeit für einen Ausflug. Der deutsche Philipp, der gemeinsam mit Markus und einem Kolumbianer hier eine Reiseagentur betreibt, hatte mich zu einer Tour in die Anden eingeladen. Wir plaudern. Ich erzähle mal wieder wie begeistert ich von dem Klima hier bin. Da erzählt er von einem Artikel, in dem Medellin neulich als eine der Top 3 Destinationen weltweit für das Rentnerdasein gelistet wurde. Ich bin erst amüsiert, dann beginnt mir die Ganze Sache merkwürdig vorzukommen. Eine Kaffeekette die Oma heißt; ein Physiotherapeut mit dem Namen meines Opas, der mich altersfit machen will. Und nun also auch noch das Gütesiegel einer Top-3-Rentnerstadt. Ich kann mich doch noch nicht zur Ruhe setzen! Ich denke an Sam&Sarah, Isabell, Atma, Kitty, AP, River und Rüth, die alle längst Richtung Süden weitergezogen sind. Die Geschichte vom Bleiben ist die Geschichte von Philipp, die ein anderes Mal erzählt wird. Meine Geschichte führt mich auf den Spuren meiner Schnorchel-Freunde weiter nach Süden, aber nicht ohne vorher noch einmal nach Bogotá zurückzukehren…

20131027-110524.jpg

20131027-110505.jpg

20131027-110452.jpg

20131027-110539.jpg

20131027-110612.jpg

20131027-110705.jpg

20131027-110642.jpg

Wer immer ganz genau wissen will, wo ich gerade bin, kann mich auch gern beim Travel-Twittern verfolgen. https://www.twitter.com/sabbaticalism

Euer Gregório Jones

Meine Tage im Palmtree Hostel (1/2) – Übers Schnorcheln

20131027-105222.jpg

„Willkommen im Palmtree-Hostel“ Zwei leuchtende dunkle Augen und ein Lächeln begrüßen mich. Es ist sieben Uhr morgens. Ich bin die ganze Nacht durchgefahren, habe nicht geschlafen und bin entsprechend benommen. „Meine Name ist Madeluz“ Woher kommt eigentlich dieses Leuchten in den Augen der Menschen hier? Es erinnert mich stark an das hiesige Obst. Jeder der schon mal in Südamerika war, wird festgestellt haben, dass eine Ananas und eine Mango plötzlich wie eine völlig andere Frucht schmecken. Viel kräftiger, viel süßer! In den Supermärkten kann man Mandarinen mit grünen Stellen kaufen, die trotzdem so viel saftiger sind, als ihre europäischen Geschwister. Im Vergleich wirkt eine deutsche Obst&Gemüse-Abteilung wie das Sprechzimmer einer Anti-Depressions-Klinik, gefüllt mit moralinsauren, uniformierten Patienten. Madeluz erklärt mir die Küche. Frühstück ist inklusive. Was hier bedeutet, dass ich zwei Eier bekomme, die ich dann selbst zubereiten muss. Dazu gibt es zwei Scheiben Toast, die ich mir mit einer Art Mac-Gyver-Toasteisen über dem Gasherd rösten kann. In meinem benommenen Zustand, erscheint mir die Vorstellung hier jeden morgen zu kochen, etwas anstrengend. Madeluz zeigt mir mein Bett im Schlafsaal, wo Platz für sieben weitere Gäste ist. Zum Glück ist der Raum nur zur Hälfte belegt. Wie lange ich bleiben will, fragt sie mich. „So zwei bis drei Tage“ sage ich automatisiert. Dann schlafe ich ein. Vielleicht ist das mit dem Leuchten in den Augen auch einfach eine Art physikalisches Gesetz. Eine Reflektion der Sonne, die in dunklen Augen besonders deutlich sichtbar ist. Und die selbst dann noch schimmert, wenn die Sonne längst untergegangen ist. In jedem Fall stimmt ein Klischee. Die Menschen hier sind schön.

Besonders gut habe ich nicht geschlafen. Die Matratze war etwas durchgelegen und in meinem Kopf schwirren so viele Reiseeindrücke, dass ich keine Ruhe finde. Sport wäre jetzt prima. Luz (nicht Madeluz), die hier putzt und für den Besitzer des Hostels Don Miguel (nicht zu verwechseln mit Kung-Fu-Miguel) kocht, gibt mir Tipps. Es gibt hier um die Ecke ein Stadion mit Laufbahn, Schwimmbad und Fitnessstudio. Zu bestimmten Zeiten kann man das sogar kostenlos nutzen. Wie mein lieber Kollege Harm aus dem Social-Media-Bereich und mein treuer Workout-Buddy bestätigen könnten, bin ich in Berlin ein regelmäßiger Fitnessstudiogänger. Ich mache mich also auf in den Sportkomplex. Modern ist es hier. Irgendwie hat man das Gefühl nicht in Südamerika, sondern auf dem Campus einer US-amerikanischen Privatuni zu sein. Leider ist auch die Bürokratie auf dem neuesten Stand. „Für Oktober sind wir ausgebucht. Sie können sich für November anmelden.“ So lange wollte ich nun wirklich nicht bleiben. Aber es gibt ja noch ein Schwimmbad. „Sie brauchen eine Badekappe und eine eng anliegende Badehose, keine Shorts!“ Was man nicht hat, kann man im Shop nebenan kaufen. Die Badekappe, für umgerechnet einen Euro hätte ich ja noch investiert (Das Foto für mein Twitter wäre sicher super geworden), aber umgerechnete 25 Euro für diesen hautengen Badeschlüpfer ist mir der öffentliche Badespaß nun doch nicht wert. Also kein Sport!

Im Hostel treffe ich andere Touristen. Sam&Sarah, ein Pärchen aus Belgien, die ich bereits im Bus aus Cartagena hierher gesehen hatte, sind am Kochen. Einer der größten Lagevorteile des Palmtree-Hostels ist seine unmittelbare Nähe zum Supermarkt Exito, eine Art südamerikanischer Wallmart. Sam&Sarah leben den mir noch suspekten Selbstverpflegungsgedanken und haben sich mit allerlei Lebensmitteln eingedeckt. Auch mit Milch und Wasser, die hier lustigerweise in Tüten verkauft werden. Weitere Einkaufskuriositäten: Den Kassenzettel muss man wirklich bis zum Schluss behalten, da er am Ausgang von der Security gecheckt wird. Praktisch ist hingegen, dass es hier so viele Angestellte gibt, dass sie einen mit großer Freude und ganz in Ruhe durch den Markt begleiten, bis man am anderen Ende glücklich die gewünschte Dose Thunfisch in Besitz nehmen kann. Sam&Sarah waren im Gegensatz zu mir schon fleißig und haben touristische Aktivitäten recherchiert. Es gibt hier eine Tour über Pablo Escobar, den einst gefährlichsten Mann Kolumbiens. Der Clou: Am Ende kann man mit seinem noch lebenden Bruder, der ebenfalls Teil des Kartells war, eine Tasse Kaffee trinken. Angeblich alles für einen guten Zweck. Wir sind skeptisch. Isabell, eine Halbbrasilianerin stößt zu unserer Gruppe. Ihre großen Brüder leben und reisen seit Jahren durch Südamerika und sie hat viel gutes über Medellin gehört. Am Endes des Metrocables (eine Art innerstädtische Seilbahn) soll es einen tollen Park geben, wo man einen fantastischen Blick über die Stadt hat und auch wandern kann. Wir beschließen den Park dieses Wochenende gemeinsam zu erkunden.

Übers Schnorcheln: Schön ist das soziale Leben der Backpacker. Wie bei einem Bienenschwarm formen sich kleine Gruppen, die gemeinsam in fremder Umgebung losziehen etwas Neues zu erkunden. „Wo kommst du gerade her? Wo geht’s als nächstes hin?“ Die Gespräche und die Gruppen entstehen mühelos, ja fast automatisiert. Gemeinsam sammelt man so viel Blütenstaub, wie irgendwie möglich. In der Hoffnung dass später genug süßer Honig übrigbleibt um uns trotzt trauriger Obst&Gemüse-Handlungen ein Leuchten in die Augen zu zaubern. Ein bisschen ist unser Bienenschwarm, wie eine Gruppe Schnorchler. Man ist an der sicheren Wasseroberfläche und schaut herunter zu den bunten Korallen und den exotischen Fischen. Man hat alles im Überblick und sieht alles so ein Bisschen. Die perfekte Mischung. Eben alles was man in zwei bis drei Tagen so sehen kann.

Doch was passiert, wenn aus zwei bis drei Tagen, zwei bis drei Wochen werden? Was passiert wenn man tiefer in den Kulissen einsinkt und den ursprünglichen Statisten näher kommt. Wenn man plötzlich zu tauchen beginnt.

Next: Amigos, die Kommentarlage hier (Frieder und die herausragenden Kommentare einiger der ersten Stunde mal ausgenommen) scheint mir noch Entwicklungs-Potential zu haben, daher folgende Social-Media-Maßnahme (Harm, ich hoffe ich mache das nicht verkehrt): Den zweiten Teil der Geschichte (Übers Tauchen) gibt es entweder im Laufe der nächsten Woche. Oder, wenn hier 10 Kommentare von 10 verschiedenen Leuten stehen, sogar schon ab diesem Mittwoch.

Herzlichst

Euer Gregório Jones

20131027-105317.jpg

20131027-105240.jpg

20131027-105333.jpg

20131027-105352.jpg

20131027-105414.jpg

20131027-105253.jpg

Spanisch lernen mit Anfang 30 – Unidad 1 ‚La Teoría‘

20131023-095300.jpg

Oktober 2012, Berlin. Draußen ist es inzwischen Herbst. Ich sitze mit Raffi (Rafaela), Nat (Nathali) und Master Tree (Marek) in der Axel-Springer-Kantine. In meiner Erinnerung gibt es Spirelli mit Wurstgulasch. Wie immer verbietet der schallverstärkende Kantinen-Boden tiefschürfende Gespräche und zwingt uns zum schnellen Essen. Doch heute ist mir das ganz recht. Neben dem „Quick-Lunch“ muss ich in der Mittagspause noch eine Besorgung erledigen. Ein Buch: Caminos 1 neu. Ein Lehrbuch mit Arbeitsbuch und Audio-CD. Mein Schlüssel zur spanisch-sprachigen Welt, in die ich so gern länger reisen möchte.

Etwas später in der Volkshochschule Friedrichshain in der Samariterstraße. Es ist der erste Tag meines Intensivkurses. Bis Dezember werde ich jeden Montag und Freitag nach der Arbeit drei Stunden lang die Konjugation spanischer Verben üben, zu verstehen versuchen warum es mit „ser“ und „estar“ zwei Varianten gibt „sein“ auszudrücken und das R mit der Zunge rollen. Von den 15 Leuten, die mit mir anfangen sind im Dezember noch genau drei dabei. Mich eingeschlossen. Die Schwierigkeitsstufe ist nicht zu hoch. Aber mehr könnte ich neben dem normalen Arbeitspensum wohl auch nicht leisten.

März 2013, ich bin gerade aus einem längeren Südamerika-Urlaub mit meinem sehr guten Freund und ehemaligem Mitbewohner Gordian zurückgekommen. Man könnte den Trip auch als Trial Sabbatical bezeichnen. Viel hab ich gesehen und gelernt. Nur das mit der Sprache hat noch nicht so toll geklappt. Also noch ein Kurs. In den Volkshochschulen gibt es nichts Passendes. Da entdecke ich sprachkombinat.org. In kleinen Gruppen zu maximal 6 Leuten wird hier Spanisch von Muttersprachlern gelehrt. Für die Zeit von März bis August, zahle ich gerade mal etwas über 200€ und habe danach das Sprachlevel A2. Ich bin fleißig. Gehe zweimal die Woche zum Semi-Intensiv-Kurs, mache die meisten meiner Hausaufgaben und lerne Vokabeln mit einer großartigen App. Kurzzeitig übertreibe ich es etwas und beginne am Wochenende auch noch einen Anfängerkurs für Portugiesisch. Mein Abteilungsleiter ist zwischenzeitlich in Sorge, dass mein Leistungslevel abfallen könnte. Ich würde sie halt so gerne aussprechen können, die mysteriöse Sprache der Sch-Laute. Grammatik und Wortschatz haben sehr viele Parallelen zu Spanisch. Schließlich konzentriere ich mich wieder auf Spanisch und beginne mit Carlos aus der Vermarktung ein regelmäßiges Almuerzo (spanisch für Mittagessen) Das ist auch der Moment, wo er mir seine Schwester aus Ecuador zur Frau verspricht. Ich bin amüsiert und habe Zweifel ob das eine wirklich glückliche Ehe werden könnte. 😉

September 2013, Ich stehe in Frankfurt am Flughafen. In wenigen Minuten geht mein Flieger nach Südamerika. Die letzte Person mit der ich telefoniere ist Tina, meine besten Freundin seit dem Kindergarten. „Das mit dem Spanisch wird schon klappen, dafür habe ich ja genug geübt“, meine ich, mich selbst aufmunternd. Doch grau und arm an Fotos ist alle Theorie…

Next: Da bekommt der Junge die einmalige Chance sechs Monate durch Südamerika zu reisen, wunderbare Naturschönheiten zu beobachten und indigene Völkergruppen aus nächster Nähe zu bestaunen. Und dann bleibt er seit fast drei Wochen in Medellin, einer Stadt, die nicht mal ein Meer hat. Warum?

Über den einst gefährlichsten Mann Kolumbiens und seinen Bruder

20131019-114025.jpg

Roberto Escobar und ich

Hinweis: Diese Geschichte ist nicht so leicht verdaulich.

Roberto Escobar – Seit einem Briefbomben-Attentat ist er fast blind. Dadurch sind Erinnerungsfotos mit ihm auch nur mit Hilfe von Regieanweisungen unserer Reiseleiterin möglich. Er ist der Bruder von Pablo Escobar, dem Führer des Drogenkartells von Medellín – einst der gefährlichste Mann Kolumbiens. 10.000 Menschen sterben bei Anschlägen in den 80ern und 90ern. Das schöne Medellin bekommt in dieser Zeit den Beinamen „gefährlichste Stadt der Welt“. Noch bis weit nach dem Tod von Pablo Escobar im Jahre 1993 sind die Auswirkungen spürbar. Seit ungefähr fünf Jahren gilt die Stadt nun als sicher und als Stadt der Moderne. Touristen kommen. Seit zwei Jahren gibt es eine Touristenattraktion, die sich besonderer Beliebtheit erfreut: Eine Pablo-Escobar-Tour, die uns zu allen wichtigen Wirkungsstätten in Medellin führt. Sie endet im ehemaligen Haus der Familie, wo man gemeinsam mit Roberto Escobar einen Kaffee trinken kann.

Ich bin mir selber nicht sicher, ob es vielleicht geschmacklos ist, mit dem Bruder eines Verbrechers vor seinem Fahndungsfoto zu posieren. Doch wer glaubt, jetzt schon eine Meinung zu haben, sollte noch ein kleines bisschen weiterlesen. Mich fasziniert unsere Reiseleiterin. Sie ist Mitte 50 und hat während der schlimmen Zeit in Medellin gelebt. Warum macht sie diese Tour? Warum animiert sie uns zu Fotos an Pablos Schreibtisch, in seiner Drogen-Schmuggel-Limousine, oder eben mit seinem fast blinden Bruder. Während der Tour, werden wir gefragt ob Journalisten unter uns sind. Die brauchen nämlich eine Sondergenehmigung. Nun bin ich zwar kein Journalist, sondern Sabbaticalist. Trotzdem fühlt es sich falsch an Fotos und Namen von unser Reiseleiterin zu verwenden. Daher will ich ihre Geschichte etwas anders erzählen.

20131019-114045.jpg

Der Lebkuchenkrieg zwischen Nürnberg und Würzburg

Meine Name ist Marita, ich lebe seit meiner Geburt in Nürnberg. Ich bin gelernte Krankenschwester. Da ich etwas Spanisch spreche, arbeite ich seit einiger Zeit auch als Touristenführerin. Wir haben hier viele reiche spanischsprachige Touristen aus Südamerika und aus Spanien. Ein bisschen ärgert es mich ja, dass Sie bei Deutschland immer zuerst an Lebkuchen denken. Als ob wir hier nicht auch schöne Dinge hätten: Die Ostsee, die Alpen, unsere Schlösser, die Herzlichkeit der Menschen hier. Trotzdem fragen sie immer wieder nach Alfred Schnittler. „Wie war das denn damals?“ „Gibt es immer noch Lebkuchenhandel in Deutschland?“ Es war eine schlimme Zeit. Alfred Schnittler hatte sich mit dem Lebkuchenkartell von Würzburg angelegt. Ständig brannten Pfefferkuchenhäuser in beiden Städten. Viele Menschen starben in dieser Zeit. Mein lieber Bruder war einer von ihnen. Er war zu nah an einem der brennenden Häuser und atmete zu viel von dem süßlichen Rauch ein. Er starb an den Folgen.

Heute ist wieder eine Tour. Vier Touristen. Alles Spanier. Inzwischen machen wir pro Tag zwei Touren. Ich mache das seit einem Jahr und hoffe inzwischen nicht zu routiniert rüberzukommen. Ich zeige ihnen die Stadtwohnung, wo Alfred Schnittler mit seiner Frau und seinen zwei Kindern gewohnt hat. Sie liegt in einem armen Stadtteil von Nürnberg. Schnittler selbst stammte aus sehr armen Verhältnissen. Er hat immer gesagt, dass er sich umbringen würde, wenn er mit 21 nicht reich ist. Dank des Lebkuchenhandels war er mit 20 Millionär. Bis heute ist er bei Teilen der armen Bevölkerung beliebt. Nie hat er seine Wurzeln vergessen. Er hat diesen Stadtteil ausgebaut und den Armen immer viel Geld gegeben.

Wir besuchen das Grab von Schnittler und seiner Familie. Am Wochenende eine Pilgerstädte für die arme Bevölkerung. Von hier aus hat man auch einen Blick auf das Luxus-Gefängnis, welches Schnittler für sich selbst baute, und wo er Anfang der 90er „eingesperrt“ war. Hier wurden wilde Parties gefeiert. Und selbst Heino und die Wildecker Herzbuben spielten für ihn. Die Regierung dementiert bis heute, davon etwas gewusst zu haben. Heute ist das Gefängnis für Touristen unzugänglich und wird als Finanzamt genutzt.

Wir sind auf der letzten Station unserer Tour angekommen. Dem Haus der Familie. Inzwischen eine Art Museum. Hier steht noch die Kutsche mit der Schnittler die ersten Lebkuchen nach Westeuropa geschmuggelt hat. Es gibt zahlreiche Fotos. Eines zeigt Schnittler mit seinem Sohn vorm Elysée Palast in Paris. Und das obwohl Frankreich sich in dieser Zeit längst gegen den Lebkuchenhandel verschworen hatte und Schnittler einer der meist gesuchten Verbrecher weltweit war. Im Haus der Familie treffen wir Robert Schnittler den Bruder von Alfred. Er war ebenfalls Teil des Lebkuchenkartells. Ursprünglich war er Speerwerfer. Er hatte sogar Chancen auf einen Titel. Als die Regierung seinem Bruder und dem Lebkuchenhandel den Kampf ansagte, war seine sportliche Karriere am Ende. Er trat dem Kartell bei. Als Finanzchef. Er sagt, dass er in der ganzen Zeit keine Ermordung in Auftrag gegeben hat. Ich glaube ihm das. Sein Vermögen ist immer noch riesig. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht die Menschen von der Zuckerkrankheit zu heilen. Und er ist erfolgreich. Die internationale Kommission für Arzneimittelzulassungen ist kurz davor sein Spezial-Insulin zum Verkauf freizugeben. Anders als normales Insulin, muss es nur ein bis zwei Wochen injiziert werden, dann ist der Patient komplett geheilt. Jeder Cent der mit der Tour eingenommen wird fließt in die Stiftung. Wenn das Medikament auf den Markt kommt soll es für die arme Bevölkerung kostenlos sein.

Es ist der richtige Moment für Souvenirs. Es gibt Aufkleber mit der Aufschrift „Alfred, der Meisterbäcker“ und Backbücher, die von Robert Schnittler handsigniert und mit seinem Fingerabdruck markiert werden. Manche Touristen wirken hier erst etwas reserviert. Ob wir mit dem tragischen Schicksal von Tausenden ein Geschäft machen wollen, hat neulich einer gefragt. Als ob ich mit meinem toten Bruder Geschäfte machen könnte. Mein Mann war ursprünglich dagegen, dass ich für Robert arbeite. Als Krankenschwester habe ich immer wieder mitbekommen wie stark Menschen durch Diabetes eingeschränkt sind. Wer das einmal gesehen hat, weiß warum ich diesen Job mache. Zwei der vier Gäste kaufen ein handsigniertes Backbuch. Die anderen beiden den Sticker. Es macht mir inzwischen auch Spaß Fotos von den Touristen mit Robert zu machen. Ich weiß, dass sie diese Bilder ihren Freunden zeigen und so werden mehr und mehr Touristen nach Nürnberg kommen. Mehr Menschen, die sich für unsere Geschichte interessieren und mehr Geld für die Forschung. Vielleicht kann ich als Reiseleiterin viel mehr Gutes bewirken, als ich das als Krankenschwester je könnte.

20131019-114353.jpg

20131019-114102.jpg

20131019-114120.jpg

20131019-114149.jpg

20131019-114302.jpg

20131019-114326.jpg

Ich frage mich, wie man zu einem solchen Thema eine Meinung entwickelt. Muss man dafür nicht sehr viel wissen wissen und lange nachgedacht haben. Würde ich mit dem Bruder von Hitler einen Kaffee trinken wollen? Ich habe mit einigen nichtdeutschen Touristen hier darüber gesprochen und ich kann euch sagen, dass viele das sehr spannend fänden. Aber vielleicht ist das die falsche Vergleichsebene. Würde ich mit dem Bruder von Al Capone einen Kaffee trinken wollen? ich glaube schon. Ändert sich unsere Wahrnehmung, wenn Verbrechen länger zurück liegen? Und noch eine Frage beschäftigt mich: Kann man das Leid welches man Tausenden zugefügt hat, wieder gut machen? Wenn man eine Krankheit heilt, an der Millionen sterben? Wenn man Aids heilt?

Links für alle, die noch nachdenken wollen:

Über die Pablo-Escobar-Tour aus der Perspektive einer kolumbianischen Journalistin (in Spanisch)
http://www.soho.com.co/zona-cronica/articulo/el-tour-pablo-escobar/28806

Forschungsstand (Oktober 2013) über das Medikament von Roberto Escobar
http://patentscope.wipo.int/search/en/detail.jsf?docId=WO2013003410&recNum=119&docAn=US2012044315&queryString=vaccin*&maxRec=55586

Update für alle Freunde des Nachdenkens vom Januar 2014:

Als ich die Pablo-Escobar-Tour gemacht habe, war ich nicht allein. Ein Journalist war ebenfalls undercover mit mir unterwegs.

http://www.taz.de/Vor-20-Jahren-starb-Pablo-Escobar/!128401/

Und Zeitschriftenberichten zu Folge, setzen sich auch meine Freunde Philipp und Markus (Jobi) von Palenque Tours mit dem Thema auseinander.

http://www.spiegel.de/reise/staedte/pablo-escobar-tour-in-medellin-souvenir-mit-drogenbaron-a-936814.html

Meine verrückte Route durch Südamerika Teil 2: Santa Marta bis Cartagena

20131015-200056.jpg

Previously on Sabbaticalism: Den ersten Teil meiner Route hier lesen

Colectivos – Für mich sind sie der Schrecken der südamerikanischen Straßen. Es gibt keine Wartehäuschen, keine Fahrpläne und man muss sich todesmutig in den Straßenverkehr werfen um eines zum Anhalten zu Bewegen. Das Einsteigen ist dann das nächste Abenteuer. Denn wie in einem Indiana Jones Film, muss man während der Fahrt auf das Gefährt aufspringen und in einem riskanten Balanceakt das Portemonnaie aus der Hosentasche fischen um den Fahrer zu bezahlen.

Santa Marta – Taganga
Seit meinem nicht ganz freiwilligen Tag im Fernbus habe ich einen neuen Reisebegleiter. Alejandro ist Musiker und kommt aus Bogotá. Wer aus Bogotá kommt ist einiges gewohnt und entsprechend abgebrüht. Daher teilt er meine Angst vor Colectivos auch nicht. Wir nehmen einen Mini-Colectivo nach Taganga. Ich habe einen Sitzplatz (immerhin) für mich und meinen riesigen Rucksack. Die Schulkinder staunen nicht schlecht, was der Gringo da so alles mit sich schleppt. Zum Glück ist das Hostel in Taganga schön.

Taganga – Parque Tayrona
Es ist sechs Uhr morgens und wir haben alles für das Touristenhighlight der Region gepackt: Zahnbürste, Wanderschuhe und Klamotten zum Wechseln. Eine Nacht wollen wir im Parque Tayrona bleiben. Auf einer Hängematte soll man da schlafen können. Dummerweise regnet es. Wir sagen den bequemen vom Hostel organisierten Transfer wieder ab. Gegen Mittag zieht es auf … Hmmm … Wir beschließen auf eigene Faust zum Park zu fahren. Natürlich im Colectivo.

Parque Tayrona – Taganga
Wir hatten eine sonnige Zeit im Park gehabt. Erst seit fünf Minuten regnet es wieder. Wir stehen an einem Unterstand, den man mit viel Liebe auch als Haltestelle interpretieren könnte. Alejandro stoppt einen größeren Colectivo. Wir springen rein. Vielleicht hätten wir skeptisch sein sollen, als man von Weiten erkennen konnte, dass einige Passagiere noch auf der Einstiegstreppe standen. Der Bus ist auf das doppelte seiner möglich Kapazität ausgelastet. Mögliche Kapazität schließt Stehplätze mit ein. Einige Mütter müssen gleich zwei Kinder auf ihrem Schoß halten. Doch nicht alles ist schlecht: Die Ausstattung der Fahrerkabine (die ich wegen dem Gedränge leider nicht fotografieren konnte) fasziniert mich. Ein bunter Vorhang, Stofftiere, die von der Decke baumeln und Eine Art Tapete mit Zeitungsausschnitten, die alle schöne Frauen zeigen. Auch der Service stimmt: Ein Herr aus den hinterenn Reihe braucht dringend ein Klo. Und so halten wir spontan an einem nahegelegen Baum. Eine Hürde haben wir noch zu meistern. In Kolumbien ist es nicht erlaubt, dass so viele Leute in einem Colectivo transportiert werden. Da wir auf dem Weg nach Taganga eine Polizeikontrolle passieren, bekommen wir die Ansage uns auf den Stehplätzen doch bitte hinzuhocken. Was man nicht alles tut um zurück in ein wirklich schönes Hostel zu kommen.

Taganga – Cartagena
Lustig wars mit Alejandro in dem schönen Hostel. Es ist mal wieder Zeit Abschied zu nehmen. Eine Sache versüßt mir die Weiterreise. Ich habe den vom Hostel organisierten Transfer im Mini-Van gebucht. Natürlich ist es wieder viel zu kalt und ich muss mich in alle meine Pullover hüllen um keine Erkältung zu bekommen. Aber ich will mich wirklich nicht beschweren. Das war der bisher angenehmste Transport in Kolumbien.

… wird höchstwahrscheinlich demnächst mal fortgesetzt

Next: Über den Lebkuchenkrieg zwischen Nürnberg und Würzburg

20131015-200257.jpg

20131015-200241.jpg

20131015-200312.jpg

20131015-200332.jpg

20131015-200352.jpg

P.S.: Aktuell bin ich …. immer noch in Medellin. Wer immer automatisch auf dem neusten Stand sein will, kann mich gern auf Twitter verfolgen @sabbaticalism

Über Erich Kästner

20131015-191010.jpg

Übers Abschweifen: Der aufmerksame Leser wird festgestellt haben, dass ich mitunter ganz schön abschweife. Eine Geschichte über einen eigentlich recht banalen Frühlingsspaziergang durch Medellin, wird mal eben dramatisch zum Zweiteiler aufgebläht. Der ein oder andere von euch, ist wahrscheinlich schon von der puren Länge der Texte abgeschreckt. „Das muss ich am Wochenende mal in Ruhe lesen“, sind Aussagen, die ich daher durchaus nachvollziehen kann. Viel Zeit bleibt ja nicht zwischen Meetings, Team Jour Fix, Early Lunch und dem bisschen Freizeit. Ich selbst habe peinlicherweise das Blog meiner lieben Mitbewohnerin Jassi über ihre Zeit in Kanada auch nur ganz am Anfang mal gelesen, und mir dann bei ihrer Rückkehr alles noch mal brühwarm erzählen lassen. Was kann ich also tun, um auch den Leser mit dem knappen Zeitbudget bei der Stange zu halten. Ihr könntet natürlich einfach nur die Route nachvollziehen. Aber da fehlt dann halt so viel zwischendrin und ich bin mir gerade auch noch nicht sicher, ob es mir überhaupt genug Spaß macht jede Etappe haarklein zu beschreiben. Hmmm

Mitte September in der Casa Gruber, in Fusagasuga, Kolumbien,
„Am besten lernst Du eine fremde Sprache über Kinderbücher“ Don Franz drückt mir voller Begeisterung „Puntito y Antón“ – die spanische Version von Erich Kästners „Pünktchen und Anton“ – in die Hände. Ich bin skeptisch. Ist es nicht besser, wenn ich mich durch eine Wochenzeitung arbeite, dann lerne ich wenigstens gleich noch was über Land und Leute. Ich beginne die Einleitung zu lesen. Sie ist komplett kursiv geschrieben. Fast jedes zweite Wort muss ich nachschlagen, so bescheiden ist mein Vokabelschatz. Nach einer halben Stunde für drei Seiten, habe ich den Inhalt entziffert. Kästner schreibt über Reflektionen. Er kündigt an, am Ende jedes Kapitels, ein paar Gedanken über ein Thema dieses Kapitels zu schreiben. Und so schreibt er über die Pflicht, den Mut, den Stolz und viele andere pädagogisch wertvolle Themen. Immer kursiv. Kinder, die das nicht lesen wollen, können das so bequem überspringen.

Vielleicht ist das ja auch etwas für unser Problem mit den langen Texten. Ich werde mich also bei Kästner bedienen, und mich bemühen Reflektionen ebenfalls kursiv zu markieren. Wenn ein Text besonders viele Reflektionen enthält, wird der Titel zusätzlich mit „Über“ beginnen, so dass ihr diese Einträge auch komplett überspringen könnt. Ich hoffe das hilft ein bisschen 🙂

Weiterhin viel Spaß beim Lesen!

Euer Gregório Jones

20131015-191248.jpg

Spanisch lernen mit Anfang 30 ‚el prólogo‘

20131015-185912.jpg

Ich bin ungefähr 14 Jahre alt und mit meinen Eltern in irgendeiner französischen Stadt. Ist schon verrückt wie schnell man Details vergisst, wenn man sie nicht kurz darauf aufschreibt. Jedenfalls möchte ich aus dem Laden an der Ecke unbedingt dieses Überraschungei haben. Die Firma Ferrero war damals recht clever. In jedem siebten Ei war eine niedliche kleine Sammelfigur versteckt. Und im nichtdeutschen Ausland, gab es Figuren, die es bei uns schon längst nicht mehr gab. Ich lerne seit ungefähr 2 Jahren Französich in der Schule. Die Vokabel Ei =oef ist mir durchaus geläufig. Nun bin ich mir aber nicht sicher, ob das in diesem Kontext auch das richtige Wort ist. Und da ich lieber nur Sachen sagen möchte, die perfekt sind, schicke ich meinen armen Vati vor. Der spricht zwar kein Wort Französisch, aber er hat weniger Scheu sich einfach mit Händen und Füßen zu verständigen…. Heute spreche ich übrigens kein Französich mehr und hab auch aufgehört die Sprache als Fertigkeit in meinem Lebenslauf zu listen.

Oktober 2013, Ich befinde mich im spanischsprachigen Kolumbien und bin gemeinsam mit Armando, bei dem ich zur Zeit wohne, auf dem Rückweg von seiner Lieblingsbar. Ich hatte seit fast einem Jahr Spanisch in Deutschland gelernt. Bin Level A2 (es geht bis C2). Trotzdem mache ich ständig Fehler und verstehe auch nur Bruchstücke. Somit verstehe ich auch nur einen Teil des Witzes, den mir Armando erzählt. Besonders unsicher bin ich mir bei der Pointe. Folgendes verstehe ich: Ein Deutscher lernt Spanisch. Gründlich und intensiv, wie wir Deutschen das halt so gern machen. Dann fliegt er in ein spanischsprachiges Land und kauft sich am Flughafen ein Magazin. Er beginnt damit die Zeile auf dem Titelblatt zu lesen, stolpert dabei aber über ein Wort, das er nicht kennt. Daraufhin geht er zum Schalter um sich ein Rückflugticket nach Deutschland zu kaufen. Sobald er mehr gelernt hat, will er wiederkommen.

Ich verabschiede mich von Doña Patricia in Bogotá. Schön war die Zeit mit ihr, Doña Gloria, Don Franz und den Tanten. Seit einer Woche bin ich nun in Kolumbien und immer noch sehr unzufrieden mit meinen Spanischfertigkeiten. Ich glaube, dass ich mich erstmal ein paar Wochen in einem Sprachkurs verkriechen muss, bevor ich weiterreisen kann. „Als Kind lernt man Sprachen so viel einfacher,“ sage ich resigniert. Das verneint sie scharf. Das Gehirn sei genau so leistungsfähig und selbst 80-jährige könten Sprachen lernen. Der einzige Unterschied sei, dass man als Kind eher bereit ist, etwas auszuprobieren und Dinge zu machen, die man noch nicht so gut kann. Ich bin skeptisch. Auf jeden Fall, klingt das aber hoffnungsvoll.

20131015-185936.jpg

Frühlingsspaziergang mit der Eintagsfamilie (2/2)

20131011-202505.jpg

Previously on Sabbaticalism: Die ganze Einleitung hier lesen

Über Namen: Der aufmerksame Leser wird bemerkt haben, dass ich hier munter Namen und Fotos von Personen verwende, die es tatsächlich gibt und die ich auch wirklich getroffen habe. Die nachdenklichen unter den aufmerksamen Lesern werden sich nun fragen, ob das eigentlich in Ordnung ist. Schließlich ist das Internet ja öffentlich und die Erlebnisse dann doch recht persönlich. Also doch alles hinter den pseudoprivaten Privatssphäre-Mauern von Facebook verstecken? So dass die Leute nicht mitbekommen, dass man über sie schreibt und dass sie einen irgendwie bewegt haben. Oder vielleicht ein T-Shirt bedrucken? Mit der Aufschrift „ACHTUNG! Ich beobachte alles was du sagst und tust und petze es dann an die Welt weiter! Oder Geschichten ohne Namen, aber dann blickt man bei meiner anachronistischen Erzählweise schnell nicht mehr durch. Ich habe mir deswegen folgendes überlegt: Ich verwende den Namen nur, wenn ich an der Person etwas gefunden habe, was ich mag und dann versuche ich die Person so zu beschreiben, als würde ich ihr ein Kompliment machen. Ein richtiges Kompliment, kein geschleimtes. Zugleich nehme ich die Person nicht zu ernst, das nehme ich mich schließlich auch nicht. Wenn hier auf sabbaticalism.de nun Personen ohne Namen auftauchen, kann das folgende Ursachen haben: 1. Der Name würde den Leser verwirren und er ist für die Geschichte nicht notwendig 2. Ich bin mir, obwohl ich die Person mag, nicht sicher ob sie hier einen Gastauftritt möchte 3. Ich habe den Namen vergessen. Viele Menschen haben die unglückliche Angewohnheit erst ihren Namen zu sagen, bevor sie etwas Interessantes erzählen, damit man abschätzen kann, ob sich der Merkaufwand lohnt. Und der vierte Grund, warum eine Person hier ohne Namen auftaucht, ist eben, dass ich tatsächlich noch nichts gefunden habe, was ich an ihr mag. Vicky hat mir das nicht so einfach gemacht.

Ich bin mit meiner Eintagesfamilie bestehend aus Sam&Sarah (Belgien), Atma (Kalifornien) und Isabell (halb deutsch, halb brasilianisch) im Parque Piedras Blancas innerhalb des Parque Arvi hoch in den Bergen von Medellin. Wir müssen eine Aktivität machen um wieder rauszukommen und wir können uns nicht entscheiden. In diesem Moment erweitert sich unsere Familie um ein weiteres Findelkind. Er heißt Vicky, kommt ursprünglich aus Indien und lebt jetzt in New York. Die Einheimischen übergeben ihn uns als weitereren „Gringo“. Vicky ist Entwickler. Immer wenn mich jemand fragt, was ich eigentlich arbeite und ich das dann in vielen mühevoll verschlungen Sätzen erklärt habe, kommt die Folgefrage: „Und programmierst du das dann auch?“ Vicky kann programmieren. Was er nicht kann, ist sich auf Spanisch zu verständigen. Was in Südamerika durchaus zum Problem werden kann. Für Isabell kommt Vicky im perfekten Moment. Sie leitet sich ihr Spanisch vom Portugiesich ab und organisiert ein Bootsticket für die beiden.

20131011-202522.jpg

20131011-202316.jpg

Schön wars in der Schmetterlingsfarm. Goldene Kokons, balzende Schmetterlinge und dank dem blumigen Parfüm von Sarah gab es sogar hautnahen Kontakt mit den bunten Flatterwesen. Kaffeetrinken ist nach meinem Kenntnisstand fester Bestandteil eines Familienausflugs. Atma und ich gehen zum Restaurant. Wir glauben, dass das schnell gehen müsste und melden uns nicht korrekt von Sam&Sarah ab, die immer noch im Schmetterlingsrausch sind. Eine Viertelstunde warten wir auf den Kaffee, mit dem Ergebnis, dass die Kaffeemaschine just in dem Moment den Geist aufgibt, wo sie für uns brühen soll. Sam&Sarah sind weg. Wir eilen zurück zum Parkeingang, als plötzlich von weitem Gelächter zu hören ist. In malerischer Kulisse sehen wir ein lustiges Paddelteam beim Versuch sich fortzubewegen. Das Lachen kommt von Isabel. Selbst von weiten kann man sehen, dass Vicky eine sehr unterhaltsame Art hat, das Paddel zu „bedienen“. Da das Viererboot eh schon bezahlt ist, springen wir ein und übernehmen die Fortbewegungsaufgabe. Die Aussicht vom See belohnt uns dafür.

20131011-202302.jpg

Wir sitzen wieder in der Gondel. Diesmal geht es abwärts. Und da die Kulisse unverändert traumhaft ist und wir inzwischen Familienzuwachs bekommen haben, werden wieder die Papayas …. ähmm … ich meine die Fotohandys gezückt. Mir fällt die verantwortungsvolle Aufgabe zu ein Erinnerungsfoto von Vicky und Isabell zu machen. Mit digitalen Kameras hat man die Möglichkeit das Foto direkt zu sehen. Gibt man seine Kamera aus der Hand, ist man auf die Fotografierfertigkeiten des anderen angewiesen. Falscher Zoom, Finger im Bild … man kann schon einiges falsch machen bei diesen vollautomatischen Kameras. Der gesellschaftliche Kodex an dieser Stelle schreibt vor, dass man eine Korrekturschleife machen kann. Man hat also noch eine Chance ein fehlerfreies Bild zu bekommen, wenn das erste versemmelt wurde. Unabhängig vom Ergebnis bedankt man sich dann höflich und hofft für den Fall, dass auch dieses Bild gescheitert ist, darauf dass Photoshop das schon irgendwie richten wird. Oder ein Hipstamatic-Filter es zumindest künstlerisch wertvoll aussehen lassen wird. Vicky kennt diesen sozialen Kodex nicht. „Noch mal bitte!“ Immer ist etwas anderes falsch. Ein Schatten von der Gondel, falsch geöffnete Augen, verzogene Mundwinkel. Am Schluss fällt es selbst Isabell schwer zu lächeln. Ich bin kurz davor zu sagen, dass Vicky nun auch nicht das dankbarste Motiv ist, da überlege ich, ob ich nicht doch etwas an ihm finde, was mir gefällt…

Zwei Wochen vorher in Bogotá:
Manchmal will man eigentlich längst weiterziehen, dann lernt man nette Leute kennen und plötzlich befindet man sich beim Kung Fu Training einer Studentengruppe. Sport ist auf über 2000 Höhenmetern durchaus eine Herausforderung. Ich stelle mich auch nicht besonders talentiert beim „Kranich“ und den anderen lustigen Kung-Fu-Posen an. Trotzdem bin ich glücklich. Ich bin in diesem Moment kein Tourist, sondern ein Teil dieser Gesellschaft und das fühlt sich gerade unglaublich stark an. Ich will, dass dieser Moment entsprechend fesgehalten wird, und bitte Agnes, eine sehr gute Freundin von Miguel ein Foto von uns zu machen. Die Lichtverhältnisse sind schwierig. 1. Versuch. Ich: „Danke. Kannst du bitte noch eins machen?“ 2. Versuch Ich: „Danke, das ist super!“ Beide Fotos sind unscharf.

20131011-202548.jpg

Vickys Stärke ist also Genauigkeit und Hartnäckigkeit. Wahrscheinlich könnte er sonst auch nicht programmieren. Ich glaube mal wieder etwas gelernt zu haben. Und mal ganz ehrlich. Wer kann es ihm verübeln, wenn er ein schönes Erinnerungsfoto an einen Wochenendausflug mit einer Halbbrasilianerin möchte.

🙂

20131011-202407.jpg

20131011-202348.jpg