Der einzige weiße Tourist

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Der Sand an der kolumbianischen Pazifikküste ist dunkel. Die Haut der Menschen hier auch. Afrokolumbianer ist der korrekte Begriff für die Einheimischen. Eine Gruppe Dorfjungs spielt am anderen Ende des Strandes Fußball. So weit von mir entfernt, dass das Meeresrauschen die Spielgeräusche übertönt. Vor ein paar Jahren war das hier eine Region, die für den Kokain-Handel wichtig war, weswegen Tourismus hier nicht möglich war. Inzwischen ist die Sicherheitslage stabil und fast alle Regionen dieser anderen kolumbianischen Küste sind jetzt bereisbar. Auch die gängigen Reiseführer haben sich der idyllischen Küste geöffnet. La Barra, das Dorf in dem ich mich gerade befinde, hat es noch nicht in meinen Reiseführer geschafft. Ich bin an diesem Novembertag tatsächlich der einzige weiße Tourist in diesem Dorf. Und obwohl die Kulisse malerisch ist, fühle ich mich doch ein kleines bisschen einsam.

Doch wie bin ich überhaupt hierher gekommen? Ich will mal zur Abwechslung von vorn beginnen.

carolina
2 Tage vorher, in einem Fischrestaurant in Cali.
Es gibt Meeresfrüchte mit … Kokossoße. Die ganz große Portion. „Lecker!“ Dass ich dieses Adjektiv mal im Zusammenhang mit typischem kolumbianischen Essen sagen würde, hätte ich auch nicht mehr geglaubt. Die raffinierten deutschen Soßen sind genau das, was mir hier am meisten fehlt, aber diese Kokossoße ist der Hit. Carolina ist mit mir und ihren weiteren zwei Gästen aus Israel in dieses Fischrestaurant gegangen. Sie ist eine Freundin einer Freundin von Doña Patricia und auf Grund dieser Verbindung kann ich gerade bei ihr wohnen. (Inzwischen ist sie auch eine Freundin von mir geworden) Caleñas heißen die Frauen aus Cali und Caro ist eine waschechte Caleña. Mit Arbeit, Joga, Tanz, den beiden israelischen Jungs und mir ist sie gerade ganz gut ausgelastet. „Genau so schmeckt das Essen an der Küste“, sagt sie. Wiklich? Damit gibt es nun keine Zweifel mehr, dass ich an die an die kolumbianische Pazifikküste fahren werde. Eine Feinschmeckerreise wird das.

Der lange Weg zur kolumbianischen Pazifikküste

vor 10 Stunden, am Busbahnhof in Cali,
Ich soll früh aufstehen, damit ich die erste Fähre von Buenaventura nehmen kann. Das Meer ist um die Zeit noch ruhig und da mir auf Booten schnell schlecht wird, ist das vielleicht nicht verkehrt. Aber 4:30 aufstehen war schon hart. Jetzt schnell noch Geld abheben. In Kolumbien erinnert Geld abheben ein bisschen an das Zocken an einer Slot-Maschine in Las Vegas. Man muss schnell sein, versteht die Regeln nicht wirklich und oft geht man leer aus. Immerhin 300 Pesos (ca. 100 €) erspiele ich. Das muss für die Reise reichen. Im Zweifel zahle ich halt mit Karte.

vor 6 Stunden, am Bootssteg in Buenaventura
Ich hätte mal am Busbahnhof noch was essen sollen. Von den Kokoskügelchen, die mir die Frau mit den stechenden kaffeebraunen Augen verkauft hat, werde ich bestimmt nicht satt. Sonst habe ich aber alles wie beschrieben gemacht. Habe auch einen 5-Liter-Kanister Wasser und ein paar Kekse gekauft. Carolina war so lieb mir einen Zettel mit ein paar wichtigen Infos zu schreiben: Anreiseweg, Sehenswürdigkeiten, Hostel-Adresse und kulinarische Highlights. Alles was sonst der Reiseführer leisten muss.

vor 5 Stunden, im Boot
Das soll Wasser unter uns sein? Es fühlt sich so an, als würde das Boot gerade versuchen einen Zementweg zu überqueren. Zum Glück hab ich meine Reisetabletten genommen. Ärgerlich, dass mir die Kokoskugeln beim letzten Aufschlagen des Bootes aus der Tasche gekullert sind. Und ärgerlich, dass diese Bootsfaht so teuer war. Ich werde halt das Hostel mit Karte bezahlen.

vor 4 ein halb Stunden, in Juanchaco
„Du kannst dir mit uns ein Taxi teilen oder den Bus nach Ladrilleros nehmen,“ das freundliche Pärchen aus Bogotá zeigt auf einen Traktor, der hier als Bus genutzt wird und in unregelmäßigen Abständen die beiden Dörfer verbindet. Die Wahl fällt mir leicht und so fahren wir kurz darauf über die Sandstraßen nach Ladrilleros.

vor viereinviertel Stunden, zwischen Ladrilleros und La Barra, auf einem Motorrad,
Platsch! Es ist das zweite Mal dass ich von dem Mototaxi absteigen musste. Und das dritte Mal dass ich mit vollem Gepäck und diesem leidigen 5 Liter-Kanister auf der schlammigen Straße ausgerutscht bin. Carolinas Zettel hatte mich darauf hingewiesen, dass zwischen Ladrilleros und La Barra nur Motorräder fahren. Wenn man den Weg so anschaut, ist auch klar warum. Dass ich dafür vielleicht meine Wanderschuhe mit Profil hätte anziehen sollen, stand leider nicht auf meinem Zettel.

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vor dreieinhalb Stunden in La Barra
Das war heftig. Nach dieser Anreise ist mir auch klar, warum mein Reiseführer diesen Ort nicht listet. Yolanda empfängt mich herzlich. Sie versucht zu ignorieren, dass ich von oben bis unten mit vielfarbigem Schlamm besudelt bin. Yolanda ist eine Freundin einer Freundin von Carolina. Die Joga-Connection. Sie ist auch Caleña und vermietet hier seit einigen Jahren ein Ferienhaus. Das Haus ist für sechs Leute ausgelegt. Da aber gerade der Dienstag nach dem Brückentag (in Kolumbien werden alle Feiertage pauschal auf einen Montag gelegt, damit die Leute auch wirklich frei haben) ist, bin ich gerade der einzige Gast. Und da ich eben ein Freund einer Freundin einer Freundin bin, bekomme ich einen Wahnsinnspreis. Nur mit Karte bezahlen kann man leider nicht. Der einzige Geldautomat steht in Juanchaco.

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vor einer halben Stunde, auf meiner Veranda,
So ausgeschlafen, sieht die Welt doch ganz anders aus. Auf meiner Veranda gibt es eine Hängematte zum Entspannen. Vor meinem Haus ist ein kleiner Sandweg – die „Hauptstraße“ – auf der ein paar Kinder spielen. Und ungefähr 50 Meter entfernt ist das Meer. Nur komisch, dass mich keiner der Dorfbewohner überhaupt wahrnimmt. Der einzige, der bisher mit mir gesprochen hat, wollte mir direkt eine Flasche Schnapps verkaufen. Ich werde mal zum Strand gehen. Vielleicht sind da ja noch andere Touristen

Koka…?

Der Sand an der kolumbianischen Pazifikküste ist dunkel. Die … Ok! Hier hatte ich angefangen.
Bereits zweimal war ich allein im Wasser planschen. Und da ich leider „Puntito y Anton“ in Cali gelassen habe, habe ich auch keine Reiselektüre. Ich liege auf meinem Badetuch knabbere ein paar Kekse. Bei meinem knappen Reisebudget werd ich mir die wohl einteilen müssen. Plötzlich nähert sich ein Gruppe Kleinkinder. (Kennt ihr den Film Madagascar? Und kennt ihr diese Pinguine, die niedlich schauen, aber grimmige Absichten haben? Falls nicht, kurz dieses Video gucken. Ach … und kennt ihr das Gefühl, wenn man von unten zu jemandem heraufschaut, dass dieser dann so übermächtig wirkt?) „Dame un Galleta! Dame otra!“ „Gib mir einen Keks! Gib mir noch einen!“ Ich schaue herauf zu fünf gierigen Pinguinen … Kindern im Alter zwischen fünf und sieben. Da sie mich etwas einschüchtern, verteile ich fleißig Kekse. Dabei versuche ich ihnen pädagogisch zumindest ein „Gracias“ zu entlocken. Da fragt mich der kleinste von ihnen plötzlich mit schelmigem Blick: „Koka..?“ Ich bin entsetzt. Hier werden also niedliche Kinder als Kokain-Verkäufer für westliche Touristen eingesetzt. Ich ignoriere die Frage. Als die Packung leer ist, ziehen die Pinguine … Kinder wieder ab. Nur einer bleibt. Daniel heißt er. Er ist sieben und er hat ein lustiges Kinderlachen. Ich beschließe jetzt meine unglückliche Perspektive zu verlassen und stehe auf. „¡Grandisimo!“ „Riesig!“ jauchzt er. Von oben sieht die Welt ganz anders aus. Wir spielen Fanger und Stockwerfen. Seine Cousine, die möglicherweise auf ihn aufpassen soll, ist mit ihrem Smartphone beschäftigt. Mit dem Stock malt er perfekte geometrische Formen in den dunklen Sand. Und er ist so schnell, dass er kleine Krebse fangen kann. Wir beschließen, uns auch am nächsten Tag wieder zum Spielen zu treffen.

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Abends,
Auf dem Zettel stand eine Empfehlung für das Restaurant von Doña Ola. Meeresfrüchte wurden heute leider nicht frisch gefangen. Dafür haben die Fischer einen leckeren Fisch an Land gezogen. „Mit Kokossoße bitte“ sage ich in freudiger Erwartung. Und sie lächelt zurück, wohl wissend, dass sie hier weit und breit die besten Soßen zaubern kann. „Und zum Trinken?“ „Biche“ sage ich ohne zu Zögern. Das stand auf meinem Zettel als Empfehlung für ein typisches Getränk der Küste. Ihr Lächeln wechselt kurz in einen Zweifel-Modus, dann nickt sie schließlich.

Während ich auf mein Essen warte gesellt sich Yeisson zu mir. Ob er einen Schluck Biche haben kann? Ich hatte so eben festgestellt, dass dieses Getränk, welches mir Carolina empfohlen hat und welches hier in einer unschuldigen kleinen Wasserflasche verkauft wird, tatsächlich Schnapps mit 70% Alkoholanteil ist. Ich schaue den Jungen an und frage wie alt er ist. „18“ sagt er stolz. Hmmm… Links von mir tapst ein zweijähriger durch das Restaurant, der versucht mit einem Brotschmiermesser ein Stück Pappmaschee zu zerteilen.

Das Essen war tatsächlich verdammt lecker. Und Yeisson hat sich angeboten mir morgen eine der Sehenswürdigkeiten per Boot zu zeigen. Die Malgares – ein Piscina, was auf Spanisch so viel wie Schwimmbad heißt. Jedenfalls ist es eine der Sehenswürdigkeiten auf meinem Zettel. Und Yolanda hat gemeint, dass ich hier einfach mit den Leuten vor Ort Touren machen soll.

Tag 2, mittags
ich habe mir im Laden an der Ecke eine Seife für einen halben Euro gekauft und bin gerade dabei meine Hose vom Schlamm zu befreien. Da kommt Gustavo vorbei um mich zu meinem Tagesausflug ins Piscina abzuholen. Yeisson konnte wohl kein Boot für die Tour organisiern und Gustavo hat einen Einbaum, den sein Großvater vor Jahrzehnten gebaut hat. Yolanda wohnt im Nachbarhaus. Sie schaut vom Balkon und mustert den Jungen. Sie fragt ihn wer seine Eltern sind. Dann überlegt sie kurz und bestätigt schließlich, dass er ein guter Junge ist. Wir können also eine Tour machen. Zu meiner Sicherheit packe ich noch die Flasche Biche und Kekse ein.

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im Piscina,
Piscinas sind Süßwasserbecken im Dschungel, in denen man baden kann. Gustavo und ich sind allein. Er isst meine Kekse. Alkohol mag er nicht. Ich plansche im Piscina. Meine Sachen habe ich am Beckenrand neben seiner Machete abgestellt. Wir plaudern. Er ist mit seinen 18 Jahren kein Meister der Konversation, aber seine Aussprache ist verständlich und für ein kleines Gespräch reicht es. Gefährlich sei es hier nicht. Theoretisch gibt es zwar auch Tiger, aber er hat noch nie welche gesehen und außerdem sind sie nachtaktiv. Eine Freundin hat er nicht und die Parties in Ladrilleros sind besser als in La Barra. Dafür erzählen die Leute in Ladrilleros oft schlechte Dinge über La Barra, die nicht stimmen. Ich will gar nicht wissen, was das für Dinge sind, aber vielleicht sind das ja die Gründe warum La Barra noch nicht in meinem Reiseführer steht. „Hast Du schon Kokada probiert?“ fragt er plötzlich. (Moment mal! Da war doch eine Extra-Silbe an Koka… dran. KokaDA statt KokaIN) Ich frage Gustavo was eigentlich Kokada ist? „Kleine mit Panela (Zuckerrohr) vermischte Kokoskugeln, die in die Blätter der Koka-Pflanze eingewickelt sind. Die kleinen Kinder verkaufen sie hier“

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Abends bei Doña Ola,
Die Sonne geht gerade unter. Sonnenuntergänge am Pazifik sind besonders malerisch. Doña Ola amüsiert sich köstlich, als ich ihr mein Mißverständnis bezüglich Kokada erzähle. Auch die anderen Gäste in ihrem Restaurant sind von der Geschichte amüsiert. Heute serviert sie mir einen frisch gefangenen Krebs, und sie erklärt mir wie ich diesen mit dem Stein, der als Besteck daneben liegt, am besten zerlege. Da kommt mein Kumpel Daniel vorbei und setzt sich ganz selbstverständlich neben mich. Ein paar andere Jungs haben ihn geärgert und er braucht etwas Aufmunterung. Ich scherze, dass er von all den Keksen schon ein kleines Dickerchen – ein „Gordito“ – geworden ist. Sein Kinderlachen ist wieder perfekt. Ich frage Yeisson, der irgendwie immer in meiner Nähe ist, ob er mir Kokada organisieren kann. Und wenige Sekunden später, halte ich eine Tüte mit diesen Süßigkeiten in der Hand. Die sind nur für Daniel – meinen neuen besten Freund an der kolumbianischen Pazifikküste.

HAPPY END

P.S. Wenn ihr Happy Ends mögt, dürft ihr dieses sehr gern an eure Freunde weiterleiten.

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Über Happy Ends

Das schöne daran, wenn man die eigenen Erinnerungen in eine Geschichte packt, ist die Möglichkeit die Geschichte an der Stelle enden zu lassen, wo sie am schönsten ist. Nun ist es im wahren Leben – im Gegensatz zur Welt der Geschichten – oft so, dass nach dem Happy End noch Sachen passieren, die vielleicht nicht ganz so schön sind. Mir persönlich gefällt dieses Ende hier am besten. Aber es gibt sicher auch ein paar neugierige Leser, die ganz genau wissen wollen, was noch an der Pazifikküste passiert ist. Und daher schlage ich einen Kompromiss vor: Ich verstecke das alternative Ende dieser Geschichte einfach in den Tiefen des Internets hinter diesem Link. Und wer sich dieses schöne Ende nicht von der Realität kaputt machen lassen will, geht einfach mit Freunden Stollen essen und Glühwein trinken.

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Die unendliche Geschichte Oder: Liebe Nathali

Über die unendliche Geschichte: So wie „Lost“ die Fernsehserie ist, die mich seit Mitte Zwanzig fasziniert hat, so ist „die unendliche Geschichte“ mein absoluter Lieblingsfilm als ich ungefähr 10 Jahre alt bin. Dieser tiefenentspannte weiße Drache Fuchur, der abenteuerlustige Indianer Atreju und nicht zuletzt die Hauptfigur Bastian, mit der man sich als leicht nerdiges Kind so unglaublich gut identifizieren kann. Er soll nicht so viel träumen, sondern mehr in der Realität leben und seine Hausaufgaben machen, sagt sein Vater. Da findet Bastian in einem mysteriösen alten Buchladen ein Buch mit einem magischen leuchtenden Siegel. Es soll ein ganz besonderes Buch sein, meint der Händler süffisant. Bastian kann nicht widerstehen. Er schnappt sich das Buch und statt wie geplant in die Schule zu gehen, verbringt er den Tag beim Lesen in einem alten Speicher. Es ist so spannend, dass er einfach nicht aufhören kann. Und plötzlich merkt er warum dieses Buch so besonders ist. Die Figuren beginnen mit ihm, dem aufmerksamen Leser, zu sprechen. Und nicht nur das. Sie fordern ihn auf Teil der Geschichte zu werden. Dabei hat er doch hoch und heilig versprochen mehr in der Realität zu leben.

an dieser Stelle müssten eigentlich die Buchstaben zusammenfallen, einen kurzen dramatischen Tanz vollführen, um sich dann in einem neuen Schriftbild zusammenzusetzen (Kann vielleicht jemand aus der Webentwicklung kurz Sim-Sa-Selim machen?)

Weiterlesen

Eine weitere gute Tasse Kaffee (2/2)

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Previously on Sabbaticalism: Wer die erste Tasse Kaffee verpasst hat, kann sie hier nachlesen, bevor sie kalt wird. Für alle anderen habe ich was Frisches gebrüht. 🙂

Flashback Gregor – Berlin, Axel-Springer-Passage, November 2012
Es geht heute darum, ob ich ein halbes Jahr nach Südamerika kann. Ich sitze mit meinem Teamleiter Marek und mit meinem Abteilungsleiter Christian in der Mittelbar. (Christian ist übrigens der, der mir später am letzten gemeinsamen Teamabend noch empfehlen wird, mit welcher Technik ich dieses Blog am besten schreibe. Er steckt fachlich in sehr vielen Themen) Die beiden sprechen heute mit einer Stimme. Die Stimme meint, dass sie mich gern bei meinen Plänen unterstützen wollen. Nur dass es da eben aktuell wichtige große Projekte gibt. Unsere Firma wird ein Bezahlsystem einführen und wir haben die Rechte erworben Videoclips der Fußball-Bundesliga zu zeigen. Und da ich nun mal inzwischen viel Erfahrung mit Videosystemen habe, werde ich gebraucht. Ich nippe an meiner Kaffeetasse, die eigentlich schon leer ist. Die Stimme schlägt einen Kompromiss vor. „Warum nimmst du nicht im Februar einen längeren Urlaub und beginnst dein Sabbatical im September, wenn das Projekt abgeschlossen ist?“

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Kolumbien,
Wir machen ein Pause in einem der Häuser auf dem Grundstück. Ivanov setzt sich auf die Veranda und schaut in die Weite. Eine Angestellte bringt Kaffee und frischen Mandarinensaft. Viele Pläne hat er aktuell. So soll hier eine Art Erlebnishostel entstehen, wo Amerikaner ihren eigen Kaffee pflücken, trocknen und rösten können. Nebenbei hat er weiterhin seine Tierklinik in Washington D.C. und er gibt hier regelmäßig Seminare für andere Tierärtze. Vor kurzem hat er auch ein neues Stück Land dazugekauft. Wir laufen zu den Jungpflanzen. „Damit sie gut gedeihen, planzen wir sie in der ersten Zeit neben Bohnen und Mais. Später wenn sie groß genug und weniger anspruchsvoll sind, pflanzen wir daneben Bananen oder Platanen. Die sind ideale Schattenspender.“

Berlin, Anfang Mai 2013, auf Arbeit, im Mikro-Konferenzraum
Ich schwenke betrübt meine Werbe-Kaffeetasse. Werbe-Tassen erkennt man daran, dass man selber den Aufdruck beim Trinken nicht sehen kann. Der Kaffee ist längst kalt. Ich spreche mit Anastasia. Sie ist meine Anlaufstelle, wenn ich einen guten Rat brauche und offen sprechen will. Und sie ist Leiterin des Gesamtprojektes, weswegen sie gerade sehr wenig Zeit hat. „Ich weiß nicht, ob ich das mit dem Videosystem rechtzeitig hinbekomme. Es gibt noch so viele Probleme und kaum noch Zeit bis zum Start der Bundesliga,“ sage ich mit Blick auf die unbemalte Seite meiner Tasse. „Und … ich weiß auch nicht, ob das mit dem Sabbatical in Südamerika wirklich so eine gute Idee ist. Sechs Monate ganz allein auf so einem gefährlichen Kontinent“ Sie beruhigt mich mit ihrem sympathischen griechischen Akzent. „Schau mal, du hast jetzt die besten Entwickler auf dem Thema. Gemeinsam schafft ihr das schon! … Und wenn es dir in Südamerika nicht gefällt, kannst Du jederzeit zurückkommen. Aber ich glaube, dass es dir gefallen wird. Ich beneide dich.“

Kolumbien,
Ivanov und Angela zeigen mir die letzte Station in der Kette. Da sie den Kaffe roh weiterverkaufen und ihn nicht selbst rösten, bleibt nur noch Aussieben und Trocknen. Beim Aussieben werden die reifen roten und gelben Kaffeefrüchte in ein Wasserbad gelegt. Einige Früchte schwimmen oben. Sie schwimmen oben, weil von den zwei Kaffeebohnen, die sich unter der Hülle verbergen, eine mit Luft gefüllt ist. Diese muss aussortiert werden. Dann kann die andere mit auf die Reise gehen und getrocknet und geröstet werden. Es ist ein bisschen mehr Arbeit, aber die Qualität ist genau so gut und schließlich kann auch diese Bohne richtig guter Kaffee werden.

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Berlin, August 2013, am Montag nach dem Start der zweiten Bundesliga, in unserer Kaffeeküche
Ich muss mich beeilen. „Sorry Frieda, ich weiß auch nicht wie man das im App Store einstellt. Frag am besten Robert, der weiß das bestimmt. Guten Morgen Daniel, ich muss mal kurz vorbei.“ Zum Glück hat Cati schon frischen Filterkaffee gekocht. Jetzt noch schnell den Gang hinunter zum Bundesliga-Büro. Oh … die Kollegen sind schon fast vollzählig da. Zum Glück ist Michael von der Qualitätssicherung auch noch nicht da. Da bin ich nicht der letzte im Standup. Ein Standup ist eine Art strukturiertes Kaffekränzchen unter Software-Entwicklern. Jeder erzählt, was er am Vortag so programmiert oder eben gemacht hat. Wichtig ist dass es pünktlich beginnt. (Ich frag mich gerade, ob man in Südamerika auch Standups machen könnte) Timmo, der technische Projektleiter, setzt sein Grinsekatze-Lachen auf, als ich den Raum betrete. Ich muss auch schmunzeln. Und wir haben beide Grund dazu. Die Website für Bundesliga ist pünktlich fertig geworden und das Videosystem läuft. Ohne die Hilfe dieser lustigen kaffeeschlürfenden Truppe um mich herum, hätte das nie funktioniert, und ohne so viele andere Leute in dieser Firma auch nicht. Die ein oder zwei, von denen ich mich nicht unterstützt gefühlt habe, fallen da überhaupt nicht mehr auf. Vielleicht hätte ich mir auch mehr Mühe geben müssen ihre Stärken zu entdecken. Egal. Ich bin dankbar für was gewesen ist und was kommen wird. Und so ein Filterkaffee schmeckt so viel leckerer, wenn man weiß dass man ihn einen Monat später in Rio de Janeiro trinken wird.

Kolumbien,
Im Fahrersitz neben mir sitzt eine verkleidete glückliche Mutti. Angela, die Frau von Ivanov, fährt mich im Jeep zurück zur deutsch-englischen Schule nach Manizales. Auch sie ist im Halloween-Fieber. Sie will ihre Tochter abholen und gemeinsam werden sie durch die Nachbarschaft ziehen, „Süßes oder Saures?“ schreien und jede Menge Süßigkeiten einsammeln. Das wird lustig.

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Fatasy-Flashback* von Angela, fünf Jahre vorher, in einem Starbucks in Washington DC, USA
Irgendwie schmeckt mir mein Lattecchino Grande mit Karamelsoße heute besonders gut. „Ob ich mir vorstellen könnte zurück nach Kolumbien zu gehen?,“ hat Ivanov mich gestern Abend gefragt. In meine Heimat. „Ja“ habe ich sofort gesagt, ohne überhaupt eine Sekunde darüber nachzudenken. Vielleicht sogar ein bisschen zu schnell. Ich habe den USA so viel zu verdanken. Mit 24 bin ich hergekommen. Habe weiter studiert und sehr sehr viel gelernt. Vieles funktioniert hier so viel besser als in Kolumbien. Wenn man hier ein Haus bauen will und nicht alle Teile hat, geht man einfach in einen Baumarkt. Ich habe auch viele neue Freunde gefunden. Zugegeben, die meisten von ihnen sind auch keine gebürtigen US-Amerikaner. Aber trotzdem.
Ivanov meint, dass wir eine Kaffeeplantage kaufen sollten. Seine Familie hatte früher in Manizales selbst auch Kaffee angebaut. Zwei Tierärzte als Plantagenbesitzer. Na das kann ja heiter werden. Hmm … Aber irgendwie macht es mir überhaupt keine Angst. Ich muss es ja nicht allein schaffen. Und die Warmherzigkeit der Menschen in meiner Heimat Kolumbiens fehlt mir schon sehr. Ich glaube, dass das der Ort ist, wo meine beiden Kinder aufwachsen sollten. Ja! Und jetzt hole ich mir noch so einen leckeren Kaffee.

Kaffee – er macht uns wach und er bringt uns zusammen. Vielleicht das wichtigste Getränk unserer Erde.

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P.S. Wenn euch der Kaffee geschmeckt hat, dürft ihr ihn gern auf Facebook und Twitter weiterempfehlen.

*) Fantasy-Flashbacks sind ein von mir erfundenes Stilmittel. Lediglich die Personen existieren. Die Erinnerungen sind frei erfunden.

Und am Donnerstag: Kinder wie die Zeit vergeht. Am Freitag bin ich genau drei Monate unterwegs in Südamerika. Es ist also Halbzeit. Und wie es sich für ein gute Fernsehserie gehört gibt es da einen dramatischen Cliffhanger. Die Folge heißt: „die unendliche Geschichte

Eine gute Tasse Kaffee (1/2)

Mister Jones im Land, wo der Kaffee wächst

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Serviervorschlag: Damit diese Geschichte ihr volles Aroma entfalten kann, empfehle ich vorab die Lektüre dieser Geschichte (LOST). Und etwas Milch und Zucker. Viel Spaß!

31.Oktober 2013 (heute ist Halloween), Manizales, Kolumbien, im Appartement von AP
„Oh this is awesome! Do Ninjas wear this boots or that boots?“ AP fragt mich ganz aufgeregt welche Stiefel sie zu ihrer Ninja-Verkleidung anziehen soll. Es ist 6:00 morgens. Ich bin gestern mit dem Bus aus Bogotá gekommen. Wie immer gab es eine Verspätung und so bin ich erst um halb drei Uhr nachts bei ihr gewesen. Dann mussten wir das Bett zusammen bauen. Sie dachte, dass ich mich als Deutscher dabei pfiffiger anstelle. Jedenfalls bin ich gerade arg übermüdet und so sehr ich sie mag, von ihren lauten amerikanischen Worten gerade etwas überfordert. AP lacht. Amerikaner wissen einfach wie man sympathisch lacht, was auch für Fotos praktisch ist. Sie macht uns einen Kaffee. Der Kaffee stammt von der Plantage von Ivanov&Angela. AP hat mir eine Besichtigung der Plantage für heute organisiert. Dann kann ich auch endlich mal meine Geschichte über Kaffee in Kolumbien schreiben, die ich schon so lange schreiben will. Doch jetzt müssen wir uns beeilen. AP ist Lehrerin an der deutsch-englischen Schule in Manizales. Und dort ist heute Halloween. Und das ist für Schüler und Lehrer gleich wichtig.

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Bogotá, in der historischen Altstadt (der Candelaria) Mitte September 2013,
„Zwei Kaffee bitte! Mit Amaretto, Kaffeelikör und Rum. Ohne Milch!“ bestellt sie souverän auf Spanisch. Am schönsten ist Reisen, wenn man Leute kennenlernt, die tatsächlich in diesem Land leben. Meine liebe Arbeitskollegin Christine hatte mir den Kontakt zu ihrer kolumbianischen Cousine vermittelt. Für Notfälle. Dann hatte ich mit der Cousine geschrieben und wir haben uns für einen Kaffee in Bogotá verabredet. Die Cousine lacht gern, nur nicht immer perfekt auf den Fotos. (Doña) Patricia heißt sie. Wir setzen uns auf eine Mauer in der historischen Altstadt und schlürfen unseren Kaffee. Leicht beschwipst kommen wir zu schwerwiegenderen Themen Kolumbiens. Sie erzählt mir von den aktuellen Problemen der Bauern hier. Die Regierung wollte die Bauern zwingen nur noch bestimmte, zertifizierte Samen anzubauen. Der Nachteil ist, dass die Früchte, die aus diesen Samen entstehen, keine neuen Samen produzieren. Die Bauern müssen also immer wieder neue Samen kaufen, was teuer ist und sie auf Dauer abhängig macht. Daraufhin gab es Streiks. Und aktuell gibt es Gespräche.
Ich hatte vor kurzem das Buch „Die offenen Adern Lateinamerikas“ gelesen und war geschockt, wie der Westen (wir) unseren Reichtum über Jahre auf dem Buckel dieses rohstoffreichen Kontinents aufgebaut haben. So wurden beispielsweise mit Baumwolle, Zucker und eben Kaffee in riesigen Mengen Monokulturen angebaut. Als der Preis auf dem Weltmarkt fiel, hatten viele Bauern zu wenig Geld um sich genug zu Essen zu kaufen. Zu wenig Essen auf den nährstoffreichsten Böden der Erde…

wieder am 31.10.13, in der deutsch-englischen Schule in Manizales
Ganz stolz verabschiedet sich Ivanov von seiner kleinen Tochter. Sie ist heute verkleidet als … Obstkorb? (Später werde ich lernen, dass sie die traditionelle Kleidung einer Obstverkäuferin von der Küste trug) Jeden Morgen fährt er sie die halbe Stunde von der Kaffee-Finca zur Schule. Er weiß, dass es wichtig ist Englisch zu sprechen. Er und seine Frau Angela haben über 10 Jahre in Washington D.C., in den USA, gelebt. Sie haben dort weiter studiert und eine Tierarztpraxis eröffnet. Und zwei Kinder bekommen. Seit zwei Jahren sind sie wieder hier und haben sich eine Kaffee-Plantage in der Nähe von Manizales gekauft. Er fragt mich, ob wir die Führung auf Englisch oder auf Spanisch machen wollen. „Auf Spanisch!“ verkünde ich selbstbewusst. Das klappt inzwischen nämlich ganz gut.

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Wir sind im Jeep auf dem Weg zur Finca. Die Sonne lacht heute über der Zona Cafetera, der Kaffezone Kolumbiens. Ivanov leitet meinen Blick auf einen der Berge. Das Besondere: auf der einen Seite wächst Kaffee, auf der anderen Seite ist Weideland für Rinder. Nach der ersten großen Kaffeekrise in den 70ern hatten zahlreiche Bauern ihre Kaffeeplantagen in Farmland umgewandelt. Jetzt wird mir auch klar warum Rindfleisch in Kolumbien so zäh schmeckt. Damit die Tiere in diesem Bergland weiden können, benötigen sie stramme, muskulöse Waden. Also ganz anders als die faulen argentinischen Rinder, die den ganzen Tag durchs Flachland stapfen können um in aller Ruhe köstlich zu werden.
Ich erzähle Ivanov von dem Buch, was ich gelesen habe. Er sagt, dass das Problem mit den Monokulturen in Brasilien größer war, da dort Kaffee Robusta angebaut wird. Der Kaffee Kolumbiens heißt Kaffee Arabica und er fühlt sich in Gesellschaft von anderem Obst und Gemüse pudelwohl.

Flashback Gregor – August 2012, sonntags, 12:00 Uhr morgens, in meiner Berliner WG
Es regnet. Das war’s wohl mal wieder mit dem Sommer. Wir sitzen in der WG-Küche und bereiten das Frühstück vor. „Haben wir noch Instant-Kaffee?“ frage ich. „Im Regal oben links“ meint Tschuli. Ich kann mir nie merken, wo Sachen sind. Tschuli brät sich gerade etwas Fleisch mit Gemüse. Er ist auf diesem Low-Carb-Trip zur besseren Definition der Muskeln. Jennifer schneidet Möhren für irgendein vegetarisches Gericht. Rico sitzt mir gegenüber und erzählt eine lustige Geschichte über Baumhäuser. Inzwischen ist auch Tim aufgewacht. Er ist der jüngste von uns und am kürzesten in Berlin, weswegen er zugleich der feierfreudigste von uns ist. Unsere Küche ist nicht der größte Raum unsere Wohnung, aber definitiv der geselligste. In knapp einem Monat wird Jennifer ausziehen und Jassi zurückkommen. Fast ein halbes Jahr war sie in Kanada. Work&Travel. Ich weiß noch, wie wir vor einem Jahr manchmal darüber gesprochen haben. Und ich hatte mir auch schon das Formular für das Kanada-Visum ausgedruckt gehabt. Draußen regnet es immer noch.

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Kolumbien,
Ich laufe mit Strohhut und Gummistiefeln durch die Kaffeeplantage von Ivanov&Angela. Kaum vorstellbar, dass das hier vor vier Jahren noch Weideland war. Kaffee ist im Gegensatz zu, sagen wir einer Zierpflanze wie der Bromelie, ein ungeduldiges Gewächs. Erst kommt diese wunderschöne weiße Blüte, dann bilden sich diese grünen Früchte und wenn diese gelb oder rot werden, sind sie reif. Die erste Ernte ist bereits nach zwei Jahren möglich. Und da es auf diesem Fleck der Erde faktisch keine Jahreszeiten gibt, kann auch das ganze Jahr über geerntet werden. Die Kaffee-Pflanze passt perfekt zur schnellen, ungeduldigen Mentalität der Menschen hier. Sie lebt im Moment.

Flashback Gregor – Berlin, Axel-Springer-Passage, November 2012
Ich sitze mit meinem Teamleiter Marek und mit meinem Abteilungsleiter in der Mittelbar. Ich hatte um dieses Gespräch gebeten. Bei Gesprächen dieser Art wird mir der Kaffee tendenziell ausgegeben. Bereits vorab hatte ich angekündigt, dass ich ab Februar 2014 für ein paar Monate eine Auszeit nehmen möchte. Ich will nach Südamerika. Nach Argentinien und Brasilien. Ein Freund von mir ist im Februar für eine Weile in Brasilien und deshalb kann ich das nicht aufschieben. Ich schaue in meine Tasse Kaffe und warte angespannt darauf, was Marek und mein Abteilungsleiter jetzt sagen werden.

TO BE CONTINUED

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Die Auflösung gibt’s am Montag

Entdecke Deine Stärken jetzt!

Der Kolumbianer Miguel, die Deutsche Agnes und der Kolumbianer Oscar

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Bogotá, in einem sicheren Taxi vom Flughafen, Ende Oktober 2013,
Der Himmel leuchtet. In einer Stunde, pünktlich sechs Uhr, wird die Sonne untergehen. In Äquatornähe sind Tag und Nacht genau gleich lang. Und hier in Bogotá ist dieser Wechsel zwischen Tag und Nacht in jeglicher Hinsicht viel bedeutsamer als in Deutschland. Ich kurbele das Fenster des Taxis herunter, atme einen Schwall kühler werdender Luft ein und mache Fotos. „Welche Universität nochmal?“ fragt der Taxifahrer. „Universidad Nacional“ sage ich ganz stolz. Heute ist wieder Kung-Fu-Training. Wobei das nicht der Hauptgrund ist, warum ich mich gerade so freue. Ich werde dort Miguel wieder treffen, und Agnes und Oscar. Und wir werden noch mal dieses Foto machen. Miguel und ich in dieser Kranich-Pose. Agnes wird einfach so lange fotografieren müssen, bis der Fokus stimmt und wir beide gut aussehen.

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Flashback – Berlin, beim Sushi-Laden in der Markgrafenstraße, August 2012
„Ich nehme das Take-Menü,“ sage ich und zeige mit dem Finger zur Sicherheit noch mal auf das Foto in der Speisekarte. Susanna bestellt eine bunte Mischung und diesen neon-grünen Seetang-Salat, der mir ja etwas suspekt erscheint. Ich habe sie länger nicht gesehen. Sie war eine Zeit lang Assistentin der Geschäftsführung in unserer Firma. Eine Rolle, die sie äußerst amüsant mit einem Höchstmaß an Narrenfreiheit ausgefüllt hat. Dann war sie längere Zeit bei einer Vorabendshow und inzwischen (2013) ist sie Redakteurin beim Kinderfernsehen. Wir treffen uns, noch bevor sie die Redaktionsstelle anfängt. Wie immer hat sie viele Witze und Geschichten auf Lager. Unter anderem erzählt sie von einem Buch, das sie begeistert hat. „Entdecken Sie ihre Stärken jetzt!“ Sie hat das Buch auch dabei und könnte es mir leihen. Allerdings bringt mir das nicht so viel, da in dem Buch ein personalisierter Code für den Strength-Finder-Test im Internet enthalten ist. Und diesen muss man halt zum Finden der Stärken machen. Ich bin ja anfällig für diese amerikanische Ratgeber-Literatur…

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wieder Bogotá,
„El dragon de las alas negras! Respiracion! Uno, Dos, Tres, Quatro…“ Ich bin in der Anfängergruppe mit weiteren Kung-Fu-Neulingen. Unter ihnen eine ganz hübsche junge Studentin und ein Student, der tatsächlich nur in Socken trainiert. Unser Lehrer ist auch Neuling – Neuling im Lehren. So erklärt er nicht, was diese lustigen Tanzschritte bedeuten, sondern macht einfach bei jeder Wiederholung eine Figur mehr. „Uno, Dos, Tres, Quatro, Cinco“ Hinzu kommt, dass sich bei dieser Kombination die Schritte irgendwann wiederholen, er aber einfach weiter zählt, was mich völlig verwirrt. Dass ich nicht mitkomme, bekommt er „zum Glück“ nicht mit, da er der hübschen Studentin quasi Privatunterricht gibt. Ich schaue sehnsüchtig zu Miguel, Agnes und Oscar die nur wenige Meter von mir entfernt in weit fortgeschrittenen Gruppen trainieren.

Zum Abschluss kommen alle noch mal in einem Sitzkreis mit dem Meister zusammen. Die neuen müssen sich vorstellen. Wie sie heißen, woher sie kommen und warum sie Kung-Fu trainieren wollen. Zum Glück bleibt mir das heute erspart. Ich hatte beim letzten Mal in gebrochenem Spanisch geantwortet: „Ich heiße Gregório. Ich reise durch Kolumbien. Und ich will Kung Fu lernen, weil ich gehört habe, dass es gut für den Kopf ist.“ Geist wollte ich eigentlich sagen, aber die Vokabel fiel mir nicht ein. Jedenfalls hatte der Meister die Steilvorlage genutzt, um mich zu belehren, dass Kung Fu nicht immer gut für den Kopf ist, worauf ich zumindest die Lacher der Truppe auf meiner Seite hatte. Die hübsche Studentin begründet heute smarter. Weil Freunde ihr das empfohlen haben. Der Student mit den Socken hat keine Antwort. Woraufhin der Meister streng meint, dass wenn er noch mal kommen will, er doch bitte einen Grund und Schuhe mitbringen soll. Dann wandert sein Blick zu mir. Warum ich erst jetzt wiederkomme, fragt er mich. Weil ich auf Reisen war, sage ich. „Ich konnte nicht“ schon wieder lacht die Menge. Dann beginnt der Meister einen kleinen Vortrag, den ich nur halb verstehe (ich glaube, dass er auch den kolumbianischen Küstendialekt spricht). Er meint, dass man nur das machen soll, was man wirklich will. Wenn einem der Mathe-Lehrer nicht passt, soll man aufhören Mathematik zu lernen. Hmm. Ich bin mir sicher, dass ich ihn falsch verstanden habe. Aus Nachdenklichkeit vergesse ich, dass wir noch dieses Foto machen wollten.

Mannheim, Anfang November 2012
Jetzt wird es wirklich Winter. Irgendwie habe ich es versäumt einen Urlaub in die Sonne zu buchen und so sitze ich jetzt auf der Couch bei meinem lieben Ex-Freund Danny in Mannheim. Er ist ein wandelndes Ratgeber-Buch. Schon vor langer Zeit hat er Klassiker, wie „Simplify your life“‚gelesen. Gepaart mit seinem Wissen über Physiotherapie, Massagen und seinen Theorien über den menschlichen Körper entsteht daraus ein hochfrequentes Bombardement an guten Ratschlägen. Für mich die perfekte Umgebung, um endlich mal das Buch von Susanna zu lesen. Die Grundthese gefällt mir: Einer der Hauptfehler der bei der Personalentwicklung gemacht wird, sei die einseitige Fokussierung auf die Schwächen der Mitarbeiter. Sie werden so lange kaputtoptimiert bis sie gewöhnlich und langweilig geworden sind. Laut dem Buch, sollte man sich eher auf die Stärken der Mitarbeiter fokussieren und diese noch weiter entwicklen. Mit diesem Vorwort beginne ich den Test. Über 100 Fragen. Durch meine Antworten werde ich am Ende fünf Kern-Stärken ermitteln können. Ich bin neugierig. Alle Antworten sind eingegeben. Das Laderädchen dreht sich…. Was?! Bei meinen fünf Kern-Stärken landet „Verbundenheit“ auf Platz 1? Verbundenheit steht für eine hohe Affinität zu Natur und Spiritualität. Oft sind diese Menschen sehr sensibel und tendenziell religiös. Selbst Danny, der mich ja nun doch etwas kennt, kann mit dieser Stärke nichts anfangen.

Bogotá, inzwischen Anfang November 2013,
Ich bin mit Miguel auf dem Weg zur Universidad Nacional zu meinem letzten Kung-Fu-Training. Übermorgen werde ich die Stadt wieder verlassen und weiter in die Kaffeezone reisen. Wir sind spät dran. Es wird bereits dunkel. Die Schnellstraße vor der Uni wird von Studenten blockiert. In einer Stadt die unter dem Verkehr sowieso schon ächtzt, ist das kein Spaß. Die Polizei ist vor Ort. Ich bin noch dabei Fotos zu machen, als die Stimmung plötzlich kippt. Es hat etwas vom ersten Mai in Berlin. Die Massen setzten sich sich in Bewegung. Miguel und ich rennen. Innerhalb der Universität sind wir sicher. Da dürfen sie nicht rein.

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Die anderen trainieren bereits, während wir uns schnell auf dem Pausenhof umziehen. „Warum protestieren die Studenten?“ frage ich. Miguel erklärt mir kurz, dass die Universität privatisiert werden soll und viele der Studenten dann nicht mehr studieren könnten. Dann gehen wir trainieren.

„Un, dos, tres“ Diesesmal leitet der Meister selbst das Training. Es ist eine andere Kombination. Glaube ich zumindest. Ich bin unkonzentriert. „Un, dos, tres, cuatro,“ Ich bleibe stehen. „Un, dos, tres, cuatro, cinco,“ Ich gehe.

Berlin, Dezember 2013, in einem indischen Restaurant mit deutscher Küche
Lecker ist der Wildgulasch mit Rotkraut und Soße (Eines der Gerichte, welches mir – neben Sushi – in Südamerika am meisten fehlt). Der liebe Jan, den ich seit meinem Medienwirtschaftsstudium kenne, ist zu Besuch aus Hamburg. Wir tauschen den neuesten Klatsch über unsere Ex-Komilitonen. Was machen eigentlich Meike, Kate, Lena, Anja, Frieder, Rolf und Manu gerade so?
Als ich mit dem Studium angefangen hatte, wollte ich eigentlich immer Fernsehen machen. Jan war der Internetexperte, der immer die neuesten Trends kannte: Onlinevideos, Blogs und dieses Twitter. Ich hatte 2000 noch nicht mal eine E-Mail-Adresse. Jedenfalls sprechen wir über dieses Buch. Ich sage, dass ich diesen Stärken-Test gemacht habe und mit meinem fünf Kern-Stärken leider nicht so viel anfangen kann. Da lacht er. Er habe diesen Test auch gemacht. Zwei mal. Zwei mal mit fünf völlig unterschiedlichen Stärken.

wieder Bogotá
„…, cinco, seis, siete, ocho,.. Ich ziehe gerade meine Jeans hoch. Ungefähr 50 Meter vor mir trainiert die Kung-Fu-Mannschaft der Universidad Nacional von Bogotá auf dem Pausenhof der technischen Fakultät. Sie stehen so, dass ihr Blick in meine Richtung zeigt. Ich taste in meine Hosentasche und greife nach meinem Foto-Handy. Ich mache Fotos. Erst von hier aus, dann von diesen futuristisch wirkenden Außentreppen der technischen Fakultät. Schön sieht die Gruppe von oben aus. Wie elegant und gleichmäßig jeder Schritt und jeder Handschlag ist. Ich schaue, ich fotografiere und ich fühle mich stark.

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Als das Training vorbei ist, gehe ich zu meinen Freunden. Sie wirken erschöpft, aber glücklich. Ob alles in Ordnung ist, fragt Miguel besorgt, wegen meinem doch etwas dramatischen Abgang. Ich schmunzele. Das muss ich später erklären. Jetzt will ich ein Foto machen. Von meinen drei Freunden. Sie sind ein tolles Motiv. Ob sie auch noch ein Foto machen soll, fragt Agnes. Nein, sage ich immer noch schmunzelnd.
Ich bin heute der, der dieses Foto macht. Aber vor allem bin ich der, der diese Geschichte schreibt.

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P.S.: Wer sich jetzt stark genug fühlt diese Geschichte auf Facebook, Twitter oder sonst wo zu teilen, kann das gern tun.

Und am Donnerstag auf Sabbaticalism: Eine gute Tasse Kaffee mit Flashbacks

Spanisch lernen mit Anfang 30 – Unidad 4 ‚La Emoción‘

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Lese den Text und löse die Aufgabe!

Wenn Juan Pa in Medellin einen Crêpe mit Champignons bestellt, dann klingt das, als ob ein Sportwagen mit brummendem Motor an der Ampel anfährt. Wenn Miguel mit seiner Kung Fu Gruppe „el dragon de los alas negras“, den Drachen mit den schwarzen Flügeln ruft, dann bebt der Pausenhof der Universidad Nacional in Bogotá. Spanisch ist im Gegensatz zu Französisch oder Portugiesisch, weniger eine melodische, dafür vielmehr eine rhythmische Sprache. Und der Schlüssel zur richtigen Aussprache ist „la emoción“ die Emotion.

Medellin, Palmtree Hostel, Mitte Oktober
Wir sitzen im Garten des Palmtree-Hostels. Die Stimmung ist gedrückt. Kolumbien liegt im entscheidenden Spiel gegen Chile drei zu null hinten. Es geht um nichts Geringeres als um die Teilnahme an der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien 2014. Hostel-Besitzer Don Miguel hat sich inzwischen zur Rezeption zurückgezogen. „Im Jahr Dreitausend werden wir uns wieder qualifizieren,“ sagt er zynisch. Tatsächlich hat sich Kolumbien seit 16 Jahren für keine Weltmeisterschaft qualifiziert. Der Kommentator ist der Einzige, der sich wacker schlägt. Während Kommentatoren in Deutschland bemüht sind den Spielfluss nur mit nützlichen Zusatzinformationen anzureichern, wird hier die Tonspur mit allem, was man irgendwie sagen könnte, zugekleistert. So viele Worte, dass ein Nichtmuttersprachler sich wirklich nur noch an den Bildern und am Sprachrhythmus erfreuen kann. Plötzlich wird das Wortgepolter von einer klar zu verstehenden Botschaft unterbrochen: Goooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooo…(zur Lesefreundlichkeit verkürzt)… oooooooooooooooooooooooooool (zu deutsch: Tooooooooooor) Keiner kann länger einen Ton halten und länger schreien als ein kolumbianischer Kommentator. Das Schauspiel wiederholt sich. Kolumbien schießt das 2:3 Goooo … (Ok, das habt ihr verstanden). Inzwischen ist auch Don Miguel wieder mit dabei. Und als Kolumbien tatsächlich den Ausgleich schießt, jubelt das ganze Hostel für Kolumbien, das sich durch diesen Treffer für die WM qualifiziert hat.

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Und ich? Kann ich emoción?

Medellin, im öffentlichen Schwimmbad, Ende Oktober
Da muss ich mir ausgerechnet den Tag raussuchen, wo dieses Schwimmbad etwas kostet. Zumindest bin ich dieses mal richtig bekleidet. Ein bisschen komisch hat mich die Dame an der Eingangskasse ja schon angeschaut. Egal. Ich will ein bisschen schwimmen und ein lustiges Foto von mir mit Badekappe für mein Twitter machen. Nur noch schnell meine Sachen an der Garderobe abgeben. Ich will ja nicht, dass mein Foto-Handy noch vor dem lustigen Foto abhanden kommt. Was meinte die ältere Dame an der Garderobe bloß mit „Simulacro?“ Manchmal wäre es schon praktisch so ein kleines Taschenwörterbuch dabei zu haben. Egal. Es ist 10:50 als ich ins Wasser springe. Es ist 10:59 als ich mit schrillem Ton aus dem Wasser gepfiffen werde. Wir müssen alle das Schwimmbad verlassen. So langsam dämmert’s mir. Ich bin Teil einer Alarmübung, einer Simulation, einer „Simulacro“ Und so stehe ich da, in Badehose und Badekappe vor den Toren des Schwimmbades und warte. 30 Minuten dauert die Übung bis auch der letzte den Komplex verlassen hat und wir wieder rein können. Genug Zeit um meine emoción hochkochen zu lassen. Die Frau an der Garderobe ist noch nicht wieder da, also suche ich mir eine andere Angestellte „DondeEstaLaSeñoraConMisCosasNecesitoMisCosasAhoraMismoNoPuedeSerQueNoEstaAca“ Die Angestellt schaut mich verdutzt an. Sie zeigt rüber zur Garderobe, die soeben wieder geöffnet wird. Ich schnaufe kurz, schnappe meine Sachen, mache ein schnelles Selfie (neumodischer Begriff für Foto von mir selbst) und habe mein nächstes Ziel im Visier. Ich will mein Geld zurück! „PorQueNoMeDijoQueHabiaUnSimulacroTodoLaGenteLoSabiaAntesNoPuedeSerQuieroMiDineroTodo“ Die Dame an der Kasse schaut mich mitleidig an. Dann gibt sie mir mein Geld zurück. Erfolg auf ganzer Linie. Nur bei einer Sache bin ich mir nicht so sicher. War das nun meine spanische emoción, der ich diesen Erfolg zu verdanken habe. Oder doch eher meine deutsch/familiäre Prägung. Mein Vater hört sich jedenfalls ganz ähnlich an, wenn er sich im Supermarkt beschwert, wenn die Baguettes zu hart sind oder der Kopfsalat für unseren Freitagssalat nicht frisch genug ist. Wie auch immer. Hauptsache ich konnte umsonst in diesem Schwimmbad schwimmen.

Ejercicio 4 A

Escuchar!

Es ist das entscheidende Spiel der Qualifikation zur Fußball WM 2014. Kolumbien gegen Chile. Aber was sagt eigentlich der Kommentator? (Lautsprecher bis zum Anschlag! Ab Minute 1:30 wird es goooolig)

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Hausaufgaben: Mir auf Twitter folgen und die Geschichte an alle Mitschüler weiterleiten, die heute am Freitag leider krank sind.

Und am Montag: Sportunterricht. Auf dem Plan steht Kung-Fu-Training mit Miguel in Bogotá

Spanisch lernen mit Anfang 30 – Unidad 3 ‚El Examen‘

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Ejercicio 1 ¡Cuenta la historia!

Liebe Schüler meiner Ü30-Spanisch-Lerngruppe, ich hoffe ihr seid gut vorbereitet. Denn heute gibt es eine unangekündigte Leistungskontrolle, die in vollem Umfang in die Endnote eingehen wird. Wer schnell noch mal ins Lehrbuch schauen muss, kann das hier machen. Für alle anderen folgende Aufgabe: Dr. Gregório Jones hat im Reisebus von Bogotá nach Santa Marta den Musiker Alejandro kennengelernt. Nun brechen beide auf um den wunderschönen Parque Tayrona an der Karibikküste zu erkunden. Schaut euch die Bilder an und erfindet eine Geschichte. Die Geschichte kann in ein paar Monaten mündlich oder gern auch jetzt schon direkt als Kommentar abgegeben werden. Auf Spanisch natürlich! Als Hilfestellung gibt es unter den Bildern noch ein paar nützliche Vokabeln.

hamaca – Hängematte
cinco centímetros distancia – fünf Zentimeter Abstand
roncar – schnarchen
salida de sol – Sonnenaufgang
ducharse en el mar – sich im Meer duschen
caribe – Karibik
paraíso – Paradies
jugos con frutas frescas – frische Fruchtsäfte
caminar en la selva – im Dschungel wandern
recorrido difícil – der schwierige Weg
mal sentido del tiempo – schlechtes Zeitgefühl
hablar en ingles y español – „Spanglish“ sprechen
la chica belga malcriada – das verwöhnte belgische Mädchen
la chica polaca bien educada – das nette polnische Medien
tratado de libre comercio – Freihandelsabkommen
maíz modificado genéticamente – genmanipulierter Mais
caballos en la selva – Pferde im Dschungel
burro – Esel
la lagartija con color néon – die neonfarbene Eidechse
perdido en la selva – im Dschungel verirrt
un camino bloqueado – ein gesperrter Weg
poco de agua – wenig Wasser
volver – zurückkehren
playa – Strand
relajarse – sich entspannen
viaje de idiomas interesante – interessante Sprachreise

Viel Erfolg!

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und am Freitag auf Sabbaticalism: Aussprachetraining

Spanisch lernen mit Anfang 30 – Unidad 2 ‚Habla con ellas‘

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Mitte September 2013,
Ich bin seit ein paar Tagen in Kolumbien und es geht schon irgendwie. Zwar verstehe ich Armando, bei dem ich zuerst wohne, kaum, aber zumindest verhungere ich nicht. „Du musst Spanisch sprechen!“ Ich bemühe mich Spanisch zu sprechen, aber es ist so anstrengend die richtigen Endungen für die Verben zu finden und ich kann auch nichts wirklich Schlaues oder Lustiges erzählen. „Du musst Spanisch sprechen!!!“ Mit Don Franz und Doña Patricia kann ich mich auch wunderbar auf Deutsch unterhalten. „DU MUSST SPANISCH SPRECHEN!!!“ Ok! …Vale

¡Tengo que hablar español, cuando estoy en un pais hispanohablante! Es lo mejor cuando la otra persona no puede hablar alemán o inglés. Dann kann man, wenn man zwischendurch ein Wort nicht weiß, nicht einfach zurück auf Deutsch wechseln. !!!

Mi primera posibilidad de hablar es con Olga, una tia de Doña Patricia. Olga trabaja como ama de casa. Prepara las comidas y limpia la casa bonita de la familia Gruber. Le ayuda en limpiar y secar los platos y los cubiertos. Me enseña todas las palabras de la cocina. Y me da un consejo. Tengo que leer mucho en español. Un poco después voy a empezar leer „Puntíto y Anton“ – un libre de niños de Alemania. De Erich Kästner. lo conozco de mi juventud. Pero ahora, yo lo leo en español.

Soy en la casa de Ruth, otra tia de Doña Patricia. Ruth vive con dos hermanas en una casa linda, que es parte de un conjunto. Me muestra la piscina y los arboles de limones. Hay muchas pájaros en su jardín. Son canarias que viven libre acá. Ruth les alimenta con arroz. Pero los que quieren el arroz no pueden cantar muy lindo. Tomamos una café al inicio, y después una cerveza en tradición bueno de Alemania. Hablamos mucho de la vida y de nuestras familias. Por la noche fijamos una cita para bailar en una discoteca de salsa. La salsa colombiana esta diferente que la salsa cubana. Menos vueltas, pero mucho movimiento y pasión. Pedimos una botella de Aguardiente – una bebida alcoholica de panela. Bailamos mucho y tomamos mucho también ¡Qué fiesta maravillosa!

P.S. Liebe Sonja. Ich weiß, du hattest mich gebeten, nicht so viel auf Spanisch zu schreiben. Aber ich muss halt üben. 😉

Ob von nun an alle Geschichten nur noch auf Spanisch sind, werdet ihr schon am Mittwoch auf Sabbaticalism.de erfahren.

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Wenn es anders ist, als Du denkst

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Über Wendungen: Ist eine Geschichte nicht erst dann spannend, wenn etwas passiert, was selbst der aufmerksame Leser so nicht kommen gesehen hat. Wenn eine der handelnden Figuren etwas erzählt, was die schon fertige Meinung des Lesers durcheinander bringt und ihn zwingt noch mal ein paar Seiten zurückzublättern um neu nachzudenken.

Da wäre die schöne Pilar, die ungefähr so alt ist wie ich und die mir in der Küche des Palmtree-Hostels ganz stolz vom Kindergeburtstag ihrer 13-jährigen Tochter erzählt.

Da wäre der rauhbeinige Motorradfahrer, den Philipp und ich am Ende unserer Wanderung durch die Anden kennenlernen. Der uns erst Bier ausgibt und dann von einer Reise zu erzählen beginnt, die er vor ungefähr 10 Jahren nach Ecuador gemacht hat. Es war das erste Mal in seinem Leben, dass er Touristen aus der ganzen Welt gesehen hat. Blonde und rothaarige; mit blauen Augen und diesen riesigen Rucksäcken. Und während er das so erzählt, und uns dabei anschaut, kullern plötzlich Tränen über sein herbes Gesicht.

Da wäre Kolumbien. Was ich als persönliches Abenteuer begreife und wo ich damit rechne die maximal drei Wochen, die ich da sein werde, jede Sekunde aufs Äußerste vorsichtig sein zu müssen. Wo ich dann aber von der Liebenswürdigkeit und der Neugier vieler Menschen hier so überwältigt bin (ganz oft endet ein Gespräch damit, dass mir eine eben noch fremde Person ihre Telefonnummer gibt, falls ich noch Fragen habe), so dass ich nach zwei Monaten immer noch hier bin und meine ganze Reiseplanung inzwischen durcheinander ist.

Und dann wäre da halt meine kleine Geschichte. Die vielleicht ein bisschen zu privat ist. Die mir aber trotzdem wichtig ist. Und die eigentlich auch nicht nur meine ist.

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Bist Du schön genug für Kolumbien?

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Medellin, Kolumbien, Anfang Oktober 2013,
Das ist doch nicht schön, oder? Ich bin ein bisschen geschockt, als ich in meinem Fitnessstudio einen Werbeflyer entdecke, auf dem eine Frau mit einem Sixpack posiert. Mit Bauchmuskeln, wie sie sonst die Männer auf Calvin-Klein-Plakaten haben. Auf dem Weg vom Training nach Hause … ins Hostel meine ich … überlege ich, ob ich irgendeine Schönheits-Trendwende verpasst habe. War es für Frauen nicht einfach immer nur wichtig irgendwie schlank zu sein? Vielleicht liegt die Messlatte bei so vielen schönen Menschen hier einfach noch höher. In der Tat hatte ich im Fitnessstudio Frauen gesehen, die ein deutlich härteres Pensum als viele Männer absolvieren. Im Hostel frage ich Pilar um Rat. Sie ist schön, sie könnte das wissen. Sie meint, dass auf dem Werbeflyer mit Photoshop nachgeholfen wurde. Dann verkündet sie stolz, dass auch sie ein Sixpack hat. Und das ohne Sport. Ihre guten Freundinnen sind entsprechend neidisch auf sie. Sixpack heißt hier übrigens Chocolatina. Nach einer regionalen Schokoladenmarke. In Deutschland nennen wir trainierte Bauchmuskeln wie einen Sechserträger Bier. Und hier orientiert man sich an Schokolade, wobei man die Kolumbianer sicher nicht als Meister der Schokoladenkunst bezeichnen könnte. Was das wohl über die Kultur aussagt?

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Die schöne Pilar aus dem Palmtree-Hostel

Don Felipe, der lange in Deutschland gelebt hat und fast jeden Abend im Hostel ist, bringt eine Freundin mit. Sie hat Liebeskummer. Wir trinken Rum. Sie meint, dass die Männer hier eben so sind. Sie wollen Sixpack, große Brüste und eine großen Po. Viele die nicht mithalten können greifen zu Silikon. Großer Po? Auch das ist irgendwie anders als in Deutschland. Oder? Don Felipe meint, da hätte ich schon in Deutschland nicht richtig aufgepasst.

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Bogotá, Ende Oktober 2013,
Ich treffe Alejandro, den ich auf meiner unfreiwilligen 30-Stunden-Busfahrt an die Küste kennengelernt habe, in seiner Heimatstadt Bogotá. Er will mir als Deutschem beweisen, dass es in Kolumbien auch gutes Bier gibt. Wir sitzen in der Bogotá-Beer-Company und vor mir stehen 4 Probiergläschen. Entweder habe ich meine deutsche Biergeschmacksnerven schon eingebüßt, oder diese kolumbianische Braukunst versteht es einfach nicht zu überzeugen. Ich entscheide mich für das Bier, welches am ehesten nach Wasser schmeckt. Daran hab ich mich nun schon gewöhnt. Dann lenke ich das Gespräch auf große weibliche Pos. Alejandro ist gerade single. Er ist also so etwas wie ein Experte für schöne Frauen. „Magst du große Pos?“, frage ich. Er lacht. „Das ist zu viel hier“, meint er. Dann zückt er sein Smartphone um mir etwas zu zeigen. Gemeinsam blättern wir in einem Online-Unterwäsche-Katalog. Anfangs ohne Erfolg. Tatsächlich ähneln die Models eher dem europäischen Schlankheitideal. Schließlich wird es runder und wir müssen beide etwas schmunzeln. „Das ist noch gar nichts! Früher waren die Models so, dass sie perfekt Bierflaschen auf ihrem Hintern hätten balancieren können.“

Und ich? Bin ich eigentlich schön?

Trotz drei Wochen Fitness-Studio in Medellin hat es leider nicht ganz zum Sixpack gereicht. Definitiv hilft mir aber die Tatsache, dass ich blond bin. Sehr sogar. 🙂 Während ich mit meinem Straßenköterblond in Deutschland nur müde belächelt werde, bin ich hier der Rockstar!

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immer noch Bogotá, jetzt aber Mitte September
Ich bin mit Doña Patricia in der Candelaria, der Altstadt Bogotás, einen Kaffee trinken, als plötzlich eine Gruppe Schulmädchen auf uns zugestürmt kommt. „Una foto por favor“ „Ein Foto bitte“ Ich vermute, dass die Mädchen mich direkt als guten Fotograf erkannt haben. Doch sie wollen ein Foto MIT mir! … Hehe … Ich fühle mich geschmeichelt. Später werden mir die blonden Holländerinnen Wendy&Martha in Salento erzählen, dass ihnen das ständig so ergeht. Das Fotografieren sei immer noch besser als das Anstarren und das mysteriöse Zischeln mancher einheimischer Männer. Dagegen waren meine Schulmädchen brav.

Bogotá (ich war dort länger … und zweimal), wieder Ende Oktober,
Manchmal trifft man an sympathischen Orten ungewöhnliche Menschen. Wie ich mit Richard ins Gespräch gekommen bin, weiß ich auch nicht mehr so genau. Ich hatte, glaube ich, auf das hellblonde Haar (?) gestarrt und plötzlich wurde daraus eine Art Gespräch. Er spricht fließend Englisch und erzählt mir, dass er früher Model in den USA war. Keiner glaube ihm, dass er schon fast 70 sei. Er sei nicht geliftet, schwört er. Sein Geheimrezept ist eine Maschine, die er täglich eine halbe Stunde zum Glätten aller wichtigen Hautpartien einsetzt. Und das seit vielen, vielen Jahren. „Je eher man beginnt, desto besser!“ Dann schaut er mich mittleidig an. „Der helle Hauttyp altert sehr schnell und sehr unschön“ Mir war bewusst, dass sich da bereits ein paar Lachfältchen um die Augenpartie gebildet haben und meine Wangen sind auch nicht ideal. Ich schaue ihn genau an, und tatsächlich ist die Region um seine Augen „glatt wie ein Babypopo“ wie er selbst bestätigt. „Buy that machine!“ ruft er mir noch hinterher, als ich den sympathischen Ort wieder verlasse.

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Über Doppelmoral:
Leser: Aha! Also doch. Da schreibt Gregório Jones erst großspurig, dass hier Personen nur dann mit Foto und Namen auftauchen, wenn er über sie auch irgend etwas Nettes sagen kann, und dann das. In bester Boulevard-Manier wird dieser arme Richard vorgeführt und schließlich über Facebook, Twitter und dem Internet vor einer Weltöffentlichkeit lächerlich gemacht. War ja irgendwie nicht anders zu erwarten!
G.J.: Nicht doch, lieber aufmerksamer Leser. Jetzt urteilst du vorschnell. Ich glaube, dass es einen Teil in uns gibt, der sich über Richard lustig macht. Es gibt aber einen anderen Teil in uns, der seit ungefähr zehn Zeilen darüber grübelt, wie er an diese Maschine kommt. Sicher nicht alle von uns, aber ein Teil. Und um das zu beweisen habe ich einen Link zur Maschine integriert. (Datenschutzhinweis: Ich kann messen wenn du klickst ;-)) Viel Spaß beim Schönbleiben! 🙂

Und ich? Was finde ich eigentlich schön? Also, da wären zum einen liebe Gesichter, leuchtende Augen, und…

Next: Der Grund, warum ich noch mal nach Bogotá zurückgekommen bin.

Die nächste Geschichte erscheint wie gewohnt am Donnerstag, und wird anders als gewohnt wahrscheinlich nicht extra über Twitter und Facebook angekündigt.

Euer Gregório Jones

P.S.: Wer schön genug ist, darf die Geschichte gern teilen oder retweeten.